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Angelika Beer
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Atomstreit Iran ñ Herausforderung f¸r die Europ”ische Sicherheitsstrategie

08.03.2006

Von Angelika Beer MdEP

Iran ist der Ernstfall f¸r die Europ”ische Sicherheits- strategie, die die friedliche Verhinderung der Weiter- verbreitung von Massenvernichtungswaffen als gr–þte Herausforderung f¸r die europ”ische Sicherheitspolitik benennt. Der Kern des Atomstreits liegt in dem Dilemma, dass dem Iran laut Atomwaffensperrvertrag (NVV) das Recht zusteht, die Kernenergie zivil zu nutzen, politisch jedoch Zweifel bestehen, ob sein Atomprogramm in Wahrheit nicht auf eine atomare Bewaffnung zielt.

Formal-rechtlich ist der Iran beinahe ein Musterknabe: Der Iran ist im Unterschied zu den De-facto-Atomm”chten Pakistan, Indien und Israel Unterzeichnerstaat des Atomwaffensperrvertrages. Ihm steht damit uneingeschr”nkt das Recht zu, Atomenergie friedlich zu nutzen. Dazu geh–rt auch die Herstellung des gesamten Brennstoffkreislauf zum Betreiben von Atomreaktoren, also die Urananreicherung. Dar¸ber hinaus hat Teheran bis zum 4. Februar s”mtliche ñ auch unkontrollierte ñ IAEO-Kontrollen freiwillig zugelassen.

Politisch bestehen jedoch Zweifel, ob das iranische Atomprogramm nicht doch auf die Erlangung der Atombombe zielt. Fakt ist, dass der Iran ¸ber Jahre ein geheimes Atomprogramm unterhielt. Auch macht das ehrgeizige Raketenprogramm eigentlich nur mit einer atomaren Bewaffnung "Sinn". Gr¸nde f¸r das Streben nach der Atombombe lassen sich ohne weiteres finden: Das Regime f¸hlt sich von auþen bedroht. In seiner unmittelbaren oder n”chsten Nachbarschaft befinden sich mehrere Atomm”chte, im Osten Pakistan und Indien, im Norden Russland und im Westen Israel. Zudem sind rund um die Grenzen Irans die USA milit”risch pr”sent, in den ehemaligen Sowjetrepubliken, in Afghanistan und Pakistan, der Persische Golf steht praktisch unter der Kontrolle der US-Streitkr”fte und im Irak sind die USA als Besatzungsmacht und in der T¸rkei als NATO-Partner pr”sent.

Auf der anderen Seite versch”rfen die antisemitischen Hasspredigten des iranischen Pr”sidenten Ahmadinedschad das Misstrauen gegen¸ber dem iranischen Atomprogramm. Auch wenn klar ist, dass Ahmadinedschad nicht die Auþenpolitik des Irans bestimmt, so ist die Ablehnung des Existenzrechts Israels seit der islamischen Revolution Bestandteil der iranischen Auþenpolitik.

Europ”ische Iran-Politik in der Sackgasse

Nachdem im Sommer 2002 ñ w”hrend der Pr”ventivschl”ge der Amerikaner gegen Irak - die Existenz von geheimen Atomforschungsanlagen im Iran bekannt geworden war, und Bush Iran als den gr–þten Schurkenstaat betitelt hatte, begannen Verhandlungen zwischen den von der EU beauftragten EU-3 (Deutschland, Frankreich und Groþbritannien). Ziel der Europ”er war es, statt durch Wirtschafssanktionen oder gar eine milit”rische Intervention Iran zu Zugest”ndnissen zu zwingen, den Konflikt auf diplomatischem Weg friedlich zu l–sen. Iran hatte mit den Europ”ern vereinbart, als Ñfreiwillige, vertrauensbildende Maþnahmeì sein Programm zur Anreicherung von Uran f¸r die Dauer der Verhandlungen auszusetzen. Dar¸ber hinaus erkl”rte sich die Regierung in Teheran bereit, das Zusatzprotokoll zum Atomsperrvertrag, das der IAEA unangemeldete Inspektionen erlaubt, anzuwenden, obwohl das iranische Parlament dieses nie ratifiziert hat.

Die EU-3 ihrerseits stellten dem Iran ein umfassendes Angebot zur wirtschaftlichen, technologischen und sicherheitspolitischen Kooperation in Aussicht. Aber die Verhandlungen zogen sich in die L”nge. Im Januar akzeptierte die EU endg¸ltig die Weigerung der Bush Administration, sich direkt an einer Konfliktl–sung zu beteiligen, und sagte stattdessen den Gang zum UN-Sicherheitsrat zu, wenn sie selbst keine schnelle Einigung herbeif¸hren kann. Im Fr¸hjahr 2005 forderte der Iran die EU-3 auf, bis M”rz 2005 ein konkretes Angebot als Gegenleistung f¸r Irans freiwillige Aussetzung der Urananreicherung vorzulegen.

Das schlieþlich im August vorgelegte Angebot der EU-3 ñ eng abgestimmt mit den an den Verhandlungen nicht beteiligten Amerikanern - war f¸r die iranische Seite inakzeptabel. Statt Garantien der Amerikaner, das Land nicht anzugreifen, hat die EU die Anrufung des UN-Sicherheitsrats im Falle eines Angriffs einer Nuklearmacht auf Iran angeboten. Statt Aufhebung der US-Sanktionen war nur von wirtschaftlicher und technologischer Zusammenarbeit mit der EU sowie Unterst¸tzung bei der Aufnahme in die Welthandelsorganisation (WTO) die Rede.

Teheran lehnte die Vorschl”ge ab und nahm die Anlage in Isfahan wieder in Betrieb, wo Vorarbeiten zur Uran-Anreicherung stattfinden. Dies veranlasste die EU dazu, weitere Verhandlungen abzusagen. Stattdessen initiierten London, Paris und Berlin eine Resolution, die im September 2005 vom Gouverneursrat der IAEA verabschiedet wurde. Darin wurde Iran unter Androhung der Einschaltung des UN-Sicherheitsrats aufgefordert, die Anlage in Isfahan wieder stillzulegen und den Forderungen der EU zuzustimmen. Einen festen Termin f¸r eine m–gliche Weitergabe des Konflikts an den UN-Sicherheitsrat wurde nicht festgelegt. Allerdings wurde die Resolution entgegen der ¸blichen Praxis, nicht einstimmig verabschiedet. Nur 22 der 35 Mitgliedstaaten stimmten daf¸r, zw–lf Staaten stimmten dagegen.

Nachdem erneute Kontaktaufnahmen zwischen den EU-3 und dem Iran im Dezember 2005 ergebnislos verlaufen war, entfernte der Iran Anfang Januar 2006 die IAEO-Siegel der Nuklearanlage Natanz. Die EU-3 und die USA protestierten aufs Sch”rfste und k¸ndigten schlieþlich an, den Atomstreit an den UN-Sicherheitsrat ¸berweisen zu wollen. Damit war der Europ”ische Ansatz am Ende.

Aus Sicht europ”ischer Konservativer war der Verweis an den UN-Sicherheitsrat aber noch nicht genug. Um die Eskalationsspirale noch weiter anzuheizen, drohte der franz–sische Pr”sident Chirac Anfang 2006 indirekt mit dem pr”ventiven Einsatz von Nuklearwaffen gegen Iran. Auf der M¸nchener Sicherheitskonferenz kam es dann zum Schulterschluss derjenigen, die auch mit einer milit”rischen L–sung des Konfliktes lieb”ugeln. Bundeskanzlerin Merkel bem¸hte den Vergleich zwischen Iran und Nazi-Deutschland, um eine Legitimation aus dem Boden zu stampfen. Daf¸r bekam sie gerne R¸ckendeckung von US-Vizepr”sident Cheney.

Der russische Vorschlag ñ eine verpasste Chance?

Am 30. Januar verst”ndigten sich die Auþenminister der f¸nf st”ndigen Sicherheitsratsmitglieder und Deutschlands im zweiten Anlauf auf eine gemeinsame Position. Auch Russland und China erkl”rten sich damit einverstanden, dem Sicherheitsrat ¸ber den Konflikt zu berichten. Der Gouverneursrat der IAEO f”llte am 4. Februar in Wien mit groþer Mehrheit einen entsprechenden Beschluss: Auf der Grundlage eines neuen Berichts von El-Baradei zum Erkenntnisstand ¸ber eine m–gliche milit”rische Nutzung des iranischen Atomprogramms und die Kooperationsbereitschaft Irans der Gouverneursrat am 6. M”rz endg¸ltig ¸ber eine Ðberweisung an den UN-Sicherheitsrat entscheiden soll.

In Reaktion auf diese Entscheidung erkl”rte die Regierung in Teheran, wie angek¸ndigt, ihre Zusammenarbeit mit den Kontrolleuren der IAEO f¸r beendet. Gleichzeitig k¸ndigte sie die Wiederaufnahme der Urananreicherung in vollem Umfang an. Die Verhandlungen mit Moskau ¸ber eine Auslagerung des Programms auf russisches Territorium sollten jedoch nicht abgebrochen werden.
Bereits Ende 2005 hatte Russland einen eigenen Kompromiss vorgelegt. Iran sollte demnach gestattet werden, die erste Phase der Uranumwandlung selbst zu ¸bernehmen. Danach solle die Anreicherung in Russland stattfinden. Der russische Vorschlag wird mittlerweile von allen f¸nf st”ndigen Sicherheitsratsmitglieder und Deutschland unterst¸tzt.

IAEO-Chef El-Baradei machte in seinem Bericht am 27.2. schlieþlich deutlich, dass noch viele Detailfragen ¸ber das iranische Atomprogramm nach wie vor offen seien. Eine beabsichtigte milit”rische Nutzung k–nne weder bewiesen noch ausgeschlossen werden.

W”hrend insbesondere die russische Seite versucht hat, das kurze Zeitfenster bis zum 6. M”rz f¸r eine Verhandlungsl–sung zu nutzen, fahren die USA mit ihrer Politik gegen¸ber Indien den gesamten Atomwaffensperrvertrag endg¸ltig gegen die Wand. So hat US-Pr”sident Bush Anfang M”rz bei seinem Besuch in Indien dem Land eine weit reichende Zusammenarbeit im Nuklearsektor angeboten, obwohl gegen das Land seit 30 Jahren wegen eines illegalen und milit”rischen Atomprogramms ein Embargo besteht und es bislang nicht den NVV unterzeichnet hat. Vor diesem Hintergrund drohte sogleich der iranische Verhandlungsf¸hrer Laridschani mit dem Austritt aus dem NVV, sollte sich der UN-Sicherheitsrat tats”chlich mit dem iranischen Atomprogramm befassen.

Ergebnis der IAEA-Tagung

Die IAEO-Tagung endete am 8. 3., wie zu bef¸rchten war, in einer weiteren Eskalation des Konflikts: Der Ðberweisung an den UN-Sicherheitsrat. Der russische Vorschlag, dem Iran im Rahmen eines Kompromisses die Anreicherung kleiner Mengen Urans zu erlauben, wurde von Auþenminister Sergej Lawrow nach der Intervention seiner Amtskollegin Condoleezza Rice f¸r nicht existent erkl”rt.

Was kommt jetzt? Wirtschaftssanktionen oder gar ein milit”rischer Angriff wie im Irak sind der falsche Weg. Sie w¸rden Iran nach auþen endg¸ltig isolieren und im Inneren zusammenschweiþen. Eine bessere Situation k–nnten sich die radikalen Islamisten im Iran und die terroristischen Organisationen in der Region vermutlich nicht vorstellen. Sie k–nnten in der gesamten Region einen Fl”chenbrand ausl–sen. Wie aufgeheizt die Stimmung in der muslimischen Welt schon jetzt ist, zeigen Auseinandersetzungen um die Mohammed-Karikaturen.

Trotz Scheitern der EU-3 - Die Herausforderungen gelten mehr denn je

Der Atomstreit mit dem Iran zeigt, vor welchen Herausforderungen die europ”ische Sicherheitspolitik steht:

- Reform des Atomwaffensperrvertrages
Das Scheitern der Ðberpr¸fungskonferenz zum Atomwaffensperrvertrag im Sommer 2005 r”cht sich jetzt bitter. Eine umfassende Reform des Vertrags muss das Zusatzprotokoll, das unangemeldete IAEO Inspektionen erm–glicht, verbindlich machen, die doppelten Standards beenden und die aktuelle Entwicklung in eine Abr¸stungsdynamik umkehren. Denn eine glaubw¸rdige Politik gegen¸ber dem Iran wird nicht gelingen, wenn andere Staaten wie Pakistan, Indien und Israel aus ihrer Ablehnung des NVV profitieren. So stellt der Deal der USA mit Indien ¸ber die Lieferung von ziviler Nukleartechnologie trotz geltendem Atomtechnologie-Embargo nicht nur eine gravierende Aush–hlung des NVV dar, sondern hat das Scheitern der Verhandlungen mit dem Iran riskiert. Ebenso kontraproduktiv wirkt die geplante Modernisierung britischer und franz–sischer Atomwaffen entgegen den Abr¸stungsverpflichtungen des NVV.

- Ein Verzicht auf jegliche Pr”ventivschl”ge
Die nukleare Aufr¸stungsspirale, in der wir uns l”ngst wieder befinden, kann nur durchbrochen werden, wenn die Atomm”chte auf jegliche Pr”ventivschl”ge verzichten. Erstschlagsdrohungen, die Modernisierung von atomaren Waffenarsenalen und verbale Drohungen wie die Charakterisierung als ÑSchurkenstaatì provozieren geradezu eine weitere weltweite atomare Aufr¸stung.

- Effektiver Mulilateralismus
Der Europ”ische Ansatz ist nicht zuletzt mangels Unterst¸tzung durch die USA gescheitert. Ein effektiver Multilateralismus ist Voraussetzung f¸r die St”rke des internationalen Rechts und muss zentrale Grundlage f¸r die Europ”ische Sicherheitspolitik sein.

- Internationalisierung der Uran-Anreicherung
Der Fall Iran ist exemplarisch f¸r die globale sicherheitspolitische Gemengelage: Immer mehr Staaten werden u.a. wegen der sich zuspitzenden Energieproblematik auf Atomkraft setzen. Eine saubere Trennung in zivile und milit”rische Programme ist ab einer gewissen Stufe quasi unm–glich. Deswegen muss das Ziel die Errichtung einer zentralen multilateralen Anlage zur Urananreicherung unter Aufsicht der IAEO sein.

- Weg von ÷l, Gas und Atomkraft
Wir brauchen nicht nur eine Strategie weg von ÷l und Gas, sondern auch weiterhin ein klares Nein zur Atomenergie. Die F–rderung der Atomenergie, wie sie die IAEO zur Aufgabe hat, ist ein Anachronismus. Nichtsdestotrotz brauchen wir die Organisation in ihrer Aufgabe als neutrale Instanz zur Verhindern der nuklearen Proliferation.

- Gesamtkonzept f¸r den Nahen und Mittleren Osten
Der Atomstreit mit dem Iran aber auch die Gesamtsituation im Nahen und Mittleren Osten verdeutlicht, dass sich die Probleme in der Region nicht getrennt voneinander l–sen lassen. Mehr denn je brauchen wir ein Gesamtkonzept f¸r den Nahen und Mittleren Osten, das insbesondere die Sicherheitsinteressen Israels wie Irans ber¸cksichtigt und die in der IAEO-Resolution geforderte atomwaffenfreien Zone in der Region realisiert.

- Zivilgesellschaftlicher Dialog
Angesichts des Atomstreits droht die inneriranische Situation, insbesondere die Menschenrechtssituation, immer wieder in den Hintergrund zu geraten. Gerade der Iran ist ein zwischen Aufbruch und Tradition tief gespaltenes Land. Das Europ”ische Parlament hat sich in dieser Legislaturperiode zum Ziel gesetzt, einen breiten kontinuierlichen Dialog mit allen Ebenen der iranischen Gesellschaft und des iranischen Parlaments in Gang zu bringen, und erstmals eine Iran-Delegation eingesetzt, die diesen Dialog anstoþen will.

Dieser Artikel ist in den GAL-Mitte News erschienen.

 

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