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Angelika Beer
MdEP

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Beer im Deutschlandfunk: Misstrauen gegenüber Teheran berechtigt

19.01.2005

Durak: Die USA halten den Iran für einen Vorposten der Tyrannei. Man solidarisiere sich mit den unterdrückten Vˆlkern dieser Lˆ§nder und will nicht ruhen, "bis jede Person, die in einer Gesellschaft der Furcht lebt, schlieˆülich ihre Freiheit gewonnen hat." Das war Condoleezza Rice, die künftige Auˆüenministerin der USA, vor dem US-Senat. Sie wird zur Zeit gehˆrt. Wir wissen, auch der amerikanische Prˆ§sident schlieˆüt eine Option zum Militˆ§rschlag gegen den Iran nicht aus, ganz im Gegensatz zu Europa, das weiter verhandeln will, um den Iran vom Atomprogramm zur Urananreicherung abzubringen, bisher nicht gerade erfolgreich. Am 22. Februar besucht George Bush Brüssel, Gelegenheit für Gesprˆ§che, vielleicht. Am Telefon ist die Vorsitzende der Irandelegation des Europaparlaments Angelika Beer von Bündnis 90/Die Grünen. Frau Beer, ich denke, das ist weniger politische Arbeitsteilung als vielmehr geopolitischer Konkurrenzkampf. Wie ernst nehmen Sie denn die amerikanischen Ankündigungen gegenüber dem Iran?

Beer: Ich muss schon sagen, dass bei uns alle Alarmglocken aus drei Gründen lˆ§uten. Erstens ist die Drohung, gegen den Iran militˆ§risch vorzugehen, überhaupt nicht zu vergleichen mit dem fatalen Prˆ§ventivkrieg gegen Irak. Die Auswirkungen wˆ§ren schwerwiegender in diesem Fall. Zweitens versuchen wir als Europˆ§er und Europˆ§ische Union drei Sachen sicherzustellen, nˆ§mlich mit dem Iran zu verhandeln, damit er auf die Urananreicherung im militˆ§rischen Bereich verzichtet. Wenn wir dort erfolgreich sind, würden wir verhindern, dass ein nukleares Wettrüsten in der Gesamtregion stattfindet. Wir würden auch eine potentielle Sicherheit für Israel erreichen, die wir erreichen wollen und müssen. Drittens verhandeln wir parallel über eine Verbesserung im Bereich der Menschenrechte, die dringend notwendig ist, weil so was wie journalistische Freiheit oder das Hinrichten von Angeklagten oder die Steinigung von Frauen immer noch auf der Tagesordnung steht. Wenn die Amerikaner jetzt, und sei es auch nur verbal, diese im Grunde positive Verhandlungswege, wo der Iran immer wieder einlenkt, bombardieren, dann würde es in der Tat bedeuten, dass wir nicht erfolgreich sein kˆnnen. Deswegen erwarte ich, dass beim Besuch von Herrn Bush in Brüssel Gesprˆ§che stattfinden. Er macht einen fatalen Fehler. Er wiederholt das, was er im Irak versucht hat, Demokratisierung durch Prˆ§ventivschlˆ§ge, und das ist eine politische Sackgasse.

Durak: Schaut man sich die bisherige Politik der USA, dieses Prˆ§sidenten im ˆÑuˆüeren an, dann nimmt er ja relativ wenig Rücksicht auf europˆ§ische Befindlichkeiten. Wir haben diesmal, was den Vergleich mit dem Irak betrifft, ja eine etwas andere Position heutzutage, denn Groˆübritannien ist der Ansicht, dass der Streit um das iranische Atomprogramm nur auf diplomatischem Wege zu beenden sei. Auˆüenminister Jack Straw wird heute in der Financial Times entsprechend zitiert. Dennoch: Welche Erfolge haben die europˆ§ischen Verhandlungsbemühungen wirklich?

Beer: Also erstens ist positiv, dass Groˆübritannien mit federführend in diesen Verhandlungen ist. Deutschland, Frankreich und Groˆübritannien führen diese Verhandlungen, und der realer Erfolg besteht einfach darin, dass die Iraner zugestimmt haben, zumindest das Programm auszusetzen und auch die ˆúberprüfung zuzulassen durch die IAEO, was natürlich auch konterkariert wird durch die amerikanische Politik. Wenn wir uns erinnern, dass El-Baradei offensichtlich vor kurzem abgehˆrt worden ist, wenn er in Richtung Iran Verhandlungen geführt hat. Das heiˆüt, sie machen das Gleiche im Vorfeld wie beim Irakangriff. Sie diskreditieren die Behˆrden, die verantwortlich und in der Lage sind, Kontrolle auszuüben und damit auch eine nukleare Aufrüstung zu verhindern, und sie versuchen bewusst die UNO zu schwˆ§chen. Dass Groˆübritannien jetzt sozusagen auf der europˆ§ischen Seite ist und dass die Europˆ§ische Union mit einer Stimme spricht, ist der qualitative Unterschied. Deswegen kˆnnen wir nur appellieren, dass Bush seine zweite und letzte Amtszeit nutzt und nicht die Fehler mit ungeahntem Ausmaˆü des Irakkriegs wiederholt, sondern sich in den Dialog begibt. Es hˆ§ngt an der Position Amerikas, ob wir verhindern, dass der Iran ein Atomprogramm fortentwickelt. Es hˆ§ngt an der Position Amerikas, ob wir verhindern kˆnnen, dass der Iran Israel angreift. Deswegen muss Bush sich eigentlich auf diesem der Diplomatie begeben. Andrerseits wˆ§re er verantwortlich für nicht begreifliche Schlussfolgerungen, die ich jetzt nicht weiter ausführen will.

Durak: Hˆ§ngt es aber nicht vor allem auch von Teheran ab, dass sich dort etwas bewegt? Ist es nicht auch so, dass sehr viel Misstrauen gegenüber Teheran besteht, weil man bisher so und so verhandelt hat, weil man Europa gelegentlich vorgeführt hat und weil man sich jetzt sozusagen, weil die Amerikaner diese starken Worte wˆ§hlen und ankündigen, eines europˆ§ischen Schutzes sicher sein kann?

Beer: Das Misstrauen ist durchaus berechtigt. Die Iraner sind keineswegs vorbildlich in der Frage von Transparenz. Sie versuchen immer wieder, bestimmte Kontrolle zu verhindern. Aber unter dem Strich ist im Moment faktisch der Erfolg der Verhandlungen, dass der Zugang zu allen Verdachtsmomenten besteht. Da braucht Herr Bush nicht irgendwelche Spezialteams zu schicken. Es gibt übrigens einen Konsens zwischen allen Militˆ§rs, auch den amerikanischen und europˆ§ischen. Es gibt keine militˆ§rische Option, um einen Verdacht der Nuklearbeschaffung durch den Iran irgendwie militˆ§risch verhindern zu kˆnnen. Man kˆnnte allenfalls Iran bombardieren in der Hoffnung, dass es dann einige Jahre lˆ§nger dauert. Aber das hˆ§tte zur Folge, dass sich die gesamte radikale islamistische Welt mit dem Iran verbindet, und das hˆ§tte Auswirkungen in Afghanistan und Irak. Das wˆ§re also ein Horrorszenario, was losgetreten würde. Wir haben im Moment - ich will das nochmals unterstreichen -, wo wir sowohl im Bereich der Menschenrechte kleine Fortschritte haben, wenn auch zu wenig, aber eben auch die Mˆglichkeiten über El-Baradei und andere zu kontrollieren, was der Iran macht. Dem stimmt der Iran zu, und das ist das Entscheidende, um dem Iran zu sagen, es gibt eine Perspektive in einer durchaus atomar bewaffneten Region wie dem Nahen und Mittleren Osten, ohne die Anschaffung von Nuklearwaffen trotzdem eine politische Entwicklung herbeizuführen, und dabei wollen wir Europˆ§er euch unterstützen. Ich glaube, dass dieser Weg vollkommen alternativlos ist.

Durak: Darf der Iran bei seinem bisherigen Atomprogramm bleiben?

Beer: Er muss sicherstellen - und da reicht die Aussetzung nicht aus -, dass er definitiv auf alle Fˆ§higkeiten, die ihn ermˆ§chtigen würden, Nuklearwaffen zu beschaffen und auch einzusetzen, verzichten muss. Das macht die EU in allen Punkten klar. Es ist also nicht nur ein Versuch der Verzˆgerung, sondern es sind die laufenden Verhandlungen. Wenn man diese Verhandlungen unterstützen und dieses wichtige Ziel erreichen will, dann kann es nur bedeuten, dass Bush spˆ§testens im Februar, wenn er in Brüssel ist, sagt, OK, ich habe gelernt, wir wollen die Welt sicherer machen, und deswegen unterstütze ich Europa dabei, dass ein nuklearer Wettlauf im Nahen Osten verhindert wird. Man darf nicht vergessen, Iran akzeptiert Israel nicht als Staat. Dort muss Diplomatie einsetzen. Kanonenbootpolitik oder Prˆ§ventivschlˆ§ge der Amerikaner erreichen das Gegenteil.

Durak: Besten Dank für das Gesprˆ§ch.

Deutschlandfunk, Moderation: Elke Durak

 

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Dieser Text ist Teil des Internetauftritts von Angelika Beer, MdEP.
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