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Angelika Beer
MdEP

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Vortrag: "EU und Iran im Atomkonflikt"

Bremen, am 01.11.2005

Vortrag bei der Gesellschaft f¸r Wehr- und Sicherheitspolitik e.V.

- Es gilt das gesprochene Wort -


Sehr geehrte Damen und Herren,

Herzlichen Dank f¸r die Einladung. Das ohnehin spannende Thema ÑEU und Iran im Atomkonfliktì gewinnt neue Brisanz durch die Ÿuþerungen von Pr”sident Ahmadinedschad in der letzten Woche. Er hat zur Ausl–schung Israels aufgerufen und die Terrorattentate durch militante Pal”stinenser unterst¸tzt. Diese Hasspredigten gegen Israel sind keineswegs neu ñ aber verbunden mit dem drohenden Scheitern der Nuklearverhandlungen zwischen EU und Iran und einer drastischen Verschlechterung der Menschenrechtslage im Land sind sie eine bewusste Provokation der internationalen Gemeinschaft.

Obwohl die meisten Medien in der Berichterstattung alles durcheinander geworfen haben, m–chte ich in meinem kurzen Referat versuchen, die einzelnen Bereiche f¸r sich zu thematisieren. Denn es gibt gen¸gend Beispiele in der Internationalen Politik daf¸r, dass das Tischtuch schnell zerrissen, und die T¸ren schnell geschlossen sind. Nur was danach passiert, wird einem - nicht selten milit”rischen - "Automatismus" ¸berlassen. Das heiþt: bei aller Zur¸ckweisung der Ÿuþerungen Ahmadinedjads ist es heute nach wie vor die Aufgabe, diplomatische L–sungen und Verhanldungsans”tze in den Vordergrund zu stellen.



1. Der Atomstreit mit Iran ist nicht neu ñ eine chronologische und sicherheitspolitische Betrachtung

Als Grundsatz f¸r alle Verhandlungen muss vorausgesetzt werden, dass man die Situation des Verhandlungspartners analysiert. Das betrifft die Gesellschaftliche Entwicklung, die wirtschaftliche und die sicherheitspolitische Situation. Die Zielsetzung der ausgesetzten Verhandlungen ist klar und wird von der internationalen Staatengemeinschaft einhellig getragen: es geht darum zu verhindern, dass der Iran in den Besitz von Nuklearwaffen kommt. Es geht darum, eine dann nicht mehr beherrschbare Proliferation im Nahen und Mittleren Osten zu verhindern.

Aus diesem Grunde unterst¸tzen auch die europ”ischen Gr¸nen die Verhandlungen der EU 3 ñ obwohl wir grunds”tzlich sowohl gegen die milit”rische als auch gegen die zivile Nutzung der Kernenergie sind. Gerade angesichts regelm”þiger Erdbeben im Iran w”re es in seinem eigenen Sicherheitsinteresse, in alternative und regenerative Energien zu investieren.

Irans geopolitische Lage: Das Land ist umringt von US-Truppen, die insbesondere im Irak und Afghanistan stationiert sind (Stationierungsabkommen Karsai/USA). Einige Nachbarl”nder wie Pakistan und Israel verf¸gen zudem ¸ber Atomwaffen. Auch spielt die Diskussion um das nordkoreanische Atomprogramm eine Rolle. Hier scheinen die USA nach Jahren der Verhandlungen bereit, Sicherheitsgarantieren zu geben ñ Sicherheitsgarantien, die auch der Iran braucht.

Das Atomprogramm Irans hat eine lange Geschichte. Es wurde bereits vor der islamischen Revolution mit westlicher Unterst¸tzung - sowohl von Regierungen als auch Firmen - begonnen. Zumindest in der Frage der zivilen Nutzung der Kerntechnologie gibt es einen nationalen Konsens. Sie ist im Iran eine Frage des Nationalstolzes

Iran ist seit der Schah-Zeit Mitglied des Atomwaffensperrvertrags - dieser erlaubt zivile Nutzung und verbietet Entwicklung von Kernwaffen. D.h. alle Anlagen, die f”hig sind hohen Anreicherungsgrad f¸r Uran zu produzieren, sind potentiell problematisch (z.B. in Natanz). Leichtwasserreaktoren - die auch der Iran baut, sind nicht daf¸r verwendbar (z.B. Buschehr).

Anfang 2000 tauchten ernsthafte Zweifel an den friedlichen Absichten des Irans auf und die Amerikaner forderten den Fall vor den UN Sicherheitsrat zu bringen. Bisher nicht bekannte Anlagen wurden entdeckt und durch die IAEA inspiziert. Spuren hochangereicherten Urans wurden gefunden. Erst diesen Sommer wurde klar, dass sie nicht aus eigener Produktion stammen, sondern aus Pakistan.

Dies war der Zeitpunkt, zu dem sich die EU einschaltete und durchsetzen konnte, mit dem Iran zu verhandeln. Die EU 3 (Deutschland, Frankreich und Groþbritannien) ¸bernahmen die Federf¸hrung und bekamen mit dem Hohen Repr”sentanten Javier Solana eine auþenpolitische Unterst¸tzung. Und damit gibt es von vornherein ein Problem. Die Aufnahme der Verhandlungen wurde von den USA toleriert statt aktiv unterst¸tzt. Gleichzeitig wurde Iran –ffentlich als Schurkenstaat auf die gleiche Liste wie Syrien u.a. gesetzt. F¸r den Iran nicht gerade ein Vertrauensbeweis, dass die Amerikaner ein wie auch immer geartetes Ergebnis akzeptieren w¸rden.

Was will die EU?

1. Vollst”ndige Transparenz/Kontrolle

2. Dass der Iran keine Urananreicherung betreibt (Brennstoffkreislauf).

Mit dem Abkommen vom Oktober 2003 hat die EU ein Ziel erreicht: Iran hat das NPT-Zusatzprotokoll unterschrieben und l”sst seitdem unangemeldete IAEA-Inspektionen zu. Iran ist das Land, was bisher am meisten Inspektionen ¸ber sich hat ergehen lassen.

Das zweite Problem ist noch nicht gel–st. Obwohl der Iran im Herbst 2004 im Pariser Abkommen zugesagt hatte, dass er zumindest solange die Urananreicherung aussetzt, wie er mit der EU ¸ber das Atomprogramm verhandelt, so hat er im August wieder mit solchen Aktivit”ten begonnen (Vorstufe - Gas). Begr¸ndung: Das Angebot (Wirtschaftsabkommen, Technologietransfer ziviler Nukleartechnik), das die EU dem Iran im Juni/Juli 2005 gemacht hatte, war nicht attraktiv genug, um auf die als symbolisch wichtig erachtete Anreicherung dauerhaft zu verzichten.

Im Fr¸hjahr 2005 ”nderte die US-Administration ihren Kurs und sprach ausdr¸cklich von der Hoffnung, dass die Verhandlungen zu einem akzeptablen Ergebnis f¸hren. Die Verhandlungsf¸hrer der EU ñ erfreut dar¸ber ñ versprachen im Gegenzug eine Ðberweisung an den UN Sicherheitsrat zu unterst¸tzen, wenn der Iran die Verhandlungen blockieren oder abbrechen sollte.

Das letzte Verhandlungsangebot der EU 3, abgestimmt mit den Amerikanern, war allerdings f¸r den Iran nicht annehmbar. 1. Er sollte auf seine Souver”nit”tsrechte verzichten, indem er auf Ewigkeit auf die Schlieþung des nuklearen Brennstoffkreislauf verzichtet und f¸r immer Mitglied des NPT Vertrages bleibt. 2. war die Zusage Englands und Frankreichs, Iran nicht milit”risch anzugreifen schlicht weg Unsinn. Das Angebot h”tte Sicherheitsgarantien der Amerikaner beinhalten m¸ssen, und eine in Aussichtstellung der Lockerung oder Aufhebung der Wirtschaftssanktionen gegen Iran.

Im August wurden die Verhandlungen abgebrochen und auch die Vereinbarte Wiederaufnahme des Menschenrechtsdialoges ist aktuell kein Thema mehr.

Seit 24. September erfolgte eine Zuspitzung, weil der Iran die Anreicherung nicht weiter aussetzt und der IAEA-Gouverneursrat befunden hat, dass der Iran vor 2002 heimlich an einem Waffenprogramm gearbeitet hat. Die Resolution vom 24. September droht deswegen mit einer Einschaltung des UN-Sicherheitsrates. Die Deutlichkeit der Entscheidung hat den Iran ¸berrascht. Denn sogar seine Partner China, Indien und Russland haben nicht gegen die Resolution gestimmt, sondern sich nur enthalten. Also ein deutliches Signal - ein Schuss vor den Bug. In der Woche vom 21. bis zum 25. November soll ¸ber den Verweis an den Sicherheitsrat in Wien entschieden werden.


2. Eine kritische Einsch”tzung zum jetzigen Zeitpunkt ñ und unsere Initiativen im Europ”ischen Parlament

Trotz der Zuspitzung ñ insbesondere durch die Ÿuþerungen Ahmadinedschads gegen Israel, - bin ich der Ðberzeugung, dass ein neuer Weg zur Wiederaufnahme der Gespr”che gefunden werden muss. Der Weg hin zum UN Sicherheitsrat um Sanktionen zu beschlieþen ist eine Sackgasse, die in einer weiteren Eskalation enden wird:

Es ist davon auszugehen, dass China und/oder Russland gegen m–gliche Sanktionen stimmen w¸rden.. D.h. dass der UN-SR wie beim Irakkrieg uneins dastehen wird. Und eine weitere Konsequenz wird sein, dass der Iran die IAEA-Inspekteure rausschmeiþt - wir werden somit die Kontrolle verlieren.

Wir brauchen also alternative Konzepte (Alternativen: Internationale Joint Venture versuchen mit S¸dafrika und/oder Russland, bestimmte Art von Anreicherung bei Beibehaltung strikter Kontrollen akzeptieren, US-Sicherheitsgarantien).

Der von der EU/USA eingeschlagene Weg bereitet einige zus”tzliche Probleme: Denn der NPT verbietet nicht die Urananreicherung - nur die Anreicherung (90%) zu milit”rischen Zwecken. Dies hat der Iran bislang nicht getan. F¸r zivile Zwecke wird maximal 5%ig angereichert. Die freiwillige Zusage, s”mtliche Anreicherungsaktivit”ten zu stoppen, wird jenseits des NPT verhandelt (als Art Sicherheits- Vertrauensbildende Maþnahme zur Demonstration der friedlichen Absichten des Iran).

Auch ist die aktuelle Vorgehensweise der EU3/USA in der Hinsicht problematisch, dass der Iran jetzt f¸r ein Verhalten verurteilt wird, welches er vor 2002 an den Tag gelegt hat. Momentan arbeitet er ja mit den Inspekteuren der IAEA zusammen. Auch ist es schwierig, von einem Land zu verlangen, dass es beweisen muss, dass es kein Atomwaffenprogramm hat. Eigentlich m¸sste die Beweisf¸hrung auf der anderen Seite liegen. Diejenigen, die den Iran verd”chtigen, dass er Atomwaffen baut oder bauen will, m¸ssten daf¸r stichhaltige Beweise vorlegen.

Gleichwohl gibt es gute Gr¸nde, an der Friedfertigkeit des Iranischen Atomprogramms zu zweifeln. Ein wichtiger Aspekt ist das Raketenprogramm des Irans. Der Iran verfolgt seit Jahren ein ehrgeiziges Kurz, Mittel- und Langstreckenprojekt. Angeblich haben ihm Russland und Nordkorea dabei geholfen. Gerade die Mittel- und Langstreckenraketen - sollten sie eines Tages funktionsf”hig sein - machen milit”risch nur "Sinn" mit Atomsprengk–pfen, d.h. Massenvernichtungswaffen.

Und: Die Sicherheitsinteressen Israels m¸ssen durch eine Verhandlungsl–sung abgedeckt sein. Auch wenn der iranische Revolutionsf¸hrer jetzt versucht, zur¸ckzurudern und die Ÿuþerungen Ahmadinedschads zu relativieren: Fakt ist, dass ein Hassprediger durchs Land zieht und Zehntausende ihm begeistert zujubeln bei der Forderung, dass Israel von der Landkarte ausradiert werden muss. Der iranische Pr”sident treibt das iranische Volk damit in die Internationale Isolation, er torpediert den ohnehin br¸chigen Nahost Friedensprozess und gef”hrdet die regionale Stabilit”t. Der Pr”sident hat hier eine rote Linie ¸berschritten. Eine kooperative und dialogische L–sung der Atomfrage wird immer schwieriger politisch durchzusetzen zu sein.

Diese Ÿuþerungen sind von der EU, vom EP, von der UNO eindeutig verurteilt worden. Gleichwohl sollten wir den martialischen Geb”rden und der Kriegsrethorik Ahmadinedschads nicht auf gleicher Ebene begegnen.

Derzeit deutet einiges darauf hin, dass Ahmadinedschad weder die Unterst¸tzung der Iranischen Regierung und des Revolutionsf¸hrers hat, noch die Russlands. Dies wird deutlich an der Aussagen des russischen Auþenministers, der –ffentlich erkl”rte, dass eine solche Rhetorik denjenigen Recht g”be, die f¸r einen Verweis des iranischen Atomprogramms an den Sicherheitsrat sind. D.h. dass der Iran damit die volle Unterst¸tzung Russlands verloren hat.

Auf dieser Grundlage kann und muss versucht werden, die Verhandlungen unter Einbeziehung Russlands und einer st”rkeren Rolle der Vereinten Nationen wieder aufzunehmen um zu einer friedlichen L–sung zu kommen.

Hier kommt dann auch dem EP eine wichtige Aufgabe zu, denn wenn die Verhandlungen ¸ber Irans Atomprogramm positiv verlaufen sollten, sind wir es, die zu entscheiden haben, ob wir dem beabsichtigten Wirtschafts- und Kooperationsabkommen (TCA) im Rahmen der Haushaltsberatungen zustimmen oder nicht.
Aufgabe des Europ”ischen Parlaments und insbesondere der Iran-Delegation des Europ”ischen Parlaments ist es dann auch, den Menschenrechtsdialog wieder aufzunehmen und den Kontakt und die Unterst¸tzung der Zivilgesellschaft im Iran zu vertiefen.


Zusammenfassung

Der Konflikt mit dem Iran ist nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Es geht um Proliferation von Massenvernichtungswaffen. Das ist die gr–þte aktuelle Bedrohung f¸r die internationale Sicherheit.
Der Ausschluþ Irans aus der UNO, wie von Israel beantragt, bietet keine L–sungsans”tze. Gerade die VN haben die Aufgabe zu moderieren mit dem Ziel den Weltfrieden zu erhalten - sie sind wie die IAEA das legitime Gremium zur Verhandlung von solchen Fragen, da sie auf V–lkerrecht gegr¸ndet sind.

Die EU geht in den Verhandlungen mit dem Iran erstmalig ihren eigenen Weg der Non-Proliferationspolitik (Konsequente Umsetzung der ESS). Kernpunkt ist dabei Verhandlung, Dialog und Kooperation sowie die Nutzung von internationalen Organisationen (IAEA/UN) und internationalen Vertr”gen (NPT). Dies ist die Alternative zur Nationalen Sicherheitsstrategie NSS der US Administration, die Pr”ventivschl”ge wie gegen den Irak beinhaltet.

Die Glaubw¸rdigkeit des Westens ist durch das Scheitern der NPT Konferenz, dem Scheitern der UNO Reform in Fragen der nuklearen Abr¸stung und nicht zuletzt dem Vorhaben der Britischen Regierung, die eigenen Atomwaffen zu modernisieren, nicht gerade gesteigert worden.

Der Versuch, Iran v–lkerrechtlich in die Enge zu treiben hat keine Grundlage - Iran wird neben der Tatsache, dass er mit der IAEA kooperiert und das Zusatzprotokoll anwendet - immer auf Indien, Pakistan und Israel verweisen. Doppelte Standards (NPT) sind Teil des Problems. Dies haben wir uns selber eingehandelt.

In den n”chsten Wochen und Monaten wird sich zeigen, ob der Weg der EU weiter gangbar ist.

Schon vorab kann man festhalten: Die USA m¸ssen st”rker den EU-Ansatz unterst¸tzen. Der Schritt diesen Sommer, die WTO-Mitgliedschaft des Irans zu unterst¸tzen ging in die richtige Richtung. US-Sicherheitsgarantien k–nnen den Iran endg¸ltig ¸berzeugen und eine einvernehmliche L–sung m–glich machen, die auch dem Sicherheitsinteresse Israels Rechnung tr”gt.

 

© 2004 - Angelika Beer, MdEP.
Dieser Text ist Teil des Internetauftritts von Angelika Beer, MdEP.
www.angelika-beer.de

 

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