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Angelika Beer
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Die These von der Militarisierung der EU ist haltlos

26.03.2005

Einspruch gegen die Ostermarsch-Aufrufe der Friedensbewegung: Wer Europa links liegen l”sst, wird bei den Nationalisten landen

VON ANGELIKA BEER

Die Aufrufe der Friedensbewegung, an diesem Osterwochenende gegen die EU-Verfassung zu marschieren, sind Ausdruck absoluter Orientierungslosigkeit und des Verharrens im Denken des Kalten Krieges. Die These von der Militarisierung der EU ist haltlos. Und sie ist gef”hrlich. Durch Unkenntnis und bewusste Fehlinformationen ¸ber den Verfassungstext wird das Scheitern des Friedensprojektes Europa provoziert. Die Friedensbewegung riskiert damit, die 25 Staaten umfassende Union zu spalten und ein Kerneuropa herauszufordern. Ðber diese Konsequenzen oder Alternativen zur Verfassung schweigt die Friedensbewegung beredt. Wer am Ostersonntag unter dem Motto "Stoppt die europ”ische Verfassung" demonstriert, wird die Verfassung irreparabel besch”digen und verhindert einen weiteren Meilenstein der Europ”ischen Integration - gerade auch f¸r mehr Sicherheit in Europa und f¸r unsere Nachbarn.

Die Gegner dieser Friedensverfassung verschenken mit ihren ¸berholten Glaubensgrunds”tzen eine historische Friedens-Chance und verschlieþen die Augen vor den wirklichen Herausforderungen in der Auþen- und Sicherheitspolitik.

Mit der Verfassung bekommen erstmals alle Europ”erinnen und Europ”er das Recht auf ein B¸rgerbegehren. Inhalte, die in keine Verfassung geh–ren, k–nnen damit korrigiert werden. Dazu geh–ren zweifellos die "R¸stungsagentur" oder die Aufforderung an alle Mitglieder, "die milit”rischen F”higkeiten schrittweise zu verbessern".

Der Vertrag von Nizza war eine vertane Chance, die erweiterte Union auf ein solides Fundament zu stellen. Ein herber R¸ckschlag f¸r die Europ”ische Integration. Die Verfassung holt diese Chance nach und geht wichtige Schritte voran.

Deshalb will ich den gesellschaftlichen Streit f¸r diese Verfassung intensiv und kontrovers f¸hren, denn Fakt ist:

ïMit ihren auþenpolitischen Zielbestimmungen der Verfassung erhebt die EU die F–rderung des Friedens zum obersten Gebot. Sie macht sich einen erweiterten Sicherheitsbegriff zu eigen und bindet sich eindeutig an das V–lkerrecht und die UN-Charta. Damit ist jeder Angriffskrieg verboten.

ïDie Charta der Grund- und Menschenrechte wird rechtsverbindlich. Wie wollen wir Frieden schaffen, wenn auf die Rechtsverbindlichkeit und Einklagbarkeit der Menschenrechte verzichtet wird? Die universelle Geltung der Menschenrechte ist die Voraussetzung f¸r ein friedliches Zusammenleben in der Welt.

ïWeltweit werden erstmals in einer Verfassung die zivilen und milit”rischen Missionen im Rahmen der Europ”ischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) gleichberechtigt nebeneinander definiert. Damit werden neue Maþst”be gesetzt.

ïMit der Verfassung erh”lt Europa EINE auþenpolitische Stimme. Die Einsetzung eines Europ”ischen Auþenministers spiegelt den politische Anspruch der EU, eine Spaltung der Europ”er wie im Vorfeld des v–lkerrechtswidrigen Angriffs der Bush Administration auf den Irak in Zukunft zu verhindern. Unser Ziel bleibt daher, ein gemeinsamer europ”ischer Sitz im UN-Sicherheitsrat - statt einer Renationalisierung mit einem deutschen Sitz und Vetorecht.

ïEs gibt keine Verpflichtung zur Aufr¸stung. Die Formulierung "die milit”rischen F”higkeiten schrittweise zu verbessern" bietet die Chance zur Harmonisierung, Aufgabenteilung und Nutzung von Synergieeffekten. Die Verteidigungsagentur hat den Auftrag nationale Alleing”nge zu verhindern, milit”rische Ðberkapazit”ten abzubauen, Streitkr”fte in Freiwilligen- und Berufsarmeen umzubilden und Verteidigungsausgaben einzusparen. Das Raketenabwehrsystem MEADS ist ein klarer Fall f¸r die Verteidigungsagentur.

ïDie Verfassung bietet mit dem Korps f¸r humanit”re Hilfe einen wichtigen Ansatzpunkt, das vom Europaparlament beschlossene Zivile Friedenskorps umzusetzen und mit der humanit”ren Hilfe in Einklang zu bringen. Die Erfahrungen in Deutschland zu Beginn der rot-gr¸nen Koalition haben gezeigt, dass entsprechende Strukturen erst einmal geschaffen werden m¸ssen. Die Antwort auf Katastrophen wie den Tsunami kann nur sein, die Konzepte zu Human Security, humanit”re Hilfe und zivile Konfliktpr”vention aufeinander abzustimmen.

ïDie parlamentarische Kontrolle milit”rischer Eins”tze im Rahmen der intergouvernemental organisierten ESVP bleibt national gew”hrleistet.

Die These der Militarisierung der EU wird auch durch die Europ”ische Sicherheitsstrategie (ESS) widerlegt. Auf die gleichen Bedrohungen geben die National Security Strategy der USA (NSS) und die ESS h–chst unterschiedliche Antworten:

ïDie ESS setzt auf einen effektiven Multilateralismus, Verhandlungen, Sanktionen und Handelspolitik statt auf Pr”ventivschl”ge.

ïAls Mittel gegen die Weiterverbreitung nennt die ESS im Gegensatz zur NSS keine milit”rischen Mittel, sondern Ausfuhrkontrollen sowie politische und wirtschaftliche Mittel. Der iranische Atomstreit spiegelt diese unterschiedlichen Ans”tze in der Realit”t wieder: Hier die Europ”er mit wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Anreizen, dort das S”belrasseln der Amerikaner.

ïBei der Terrorismusbek”mpfung setzt die ESS auf Aufkl”rungsarbeit und Schulung von Polizei, Zoll, Justiz und Milit”r, die sie auf die Unterst¸tzung von Drittstaaten in ihrem Hoheitsgebiet beschr”nkt.

Insgesamt geht Europa mit der Verfassung positiv voran, auch wenn das bisherige Ergebnis nicht in jedem Punkt zufrieden stellend ist. Hier lohnt es sich weiterzuk”mpfen, denn jede Vertiefung, jede Erweiterung wird eine neue Reformdiskussion bringen. Wer aus ¸berholten Denkmustern diese Verfassung links liegen l”sst, der wird landen, wo er sicher nicht hin will: In einem B¸ndnis mit den nationalistischen Europagegnern!

Frankfurter Rundschau

 

© 2004 - Angelika Beer, MdEP.
Dieser Text ist Teil des Internetauftritts von Angelika Beer, MdEP.
www.angelika-beer.de

 

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