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Angelika Beer
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Kosovo: Grünenpolitikerin Beer dringt auf UN-Resolution

21.02.2007

Verhandlungen über künftigen Status des Kosovo

Moderation: Marie Sagenschneider

Angelika Beer hat die UNO aufge- fordert, rasch einen Lösungs- vorschlag über den künftigen Status des Kosovo herbeizuführen. Wenn man noch länger warte, könne es keine Garantie mehr für Frieden geben, sagte Beer. Weiter betonte das Mitglied des Auswärtigen und Verteidigungs-Ausschusses im Europäischen Parlament, es sei an der Zeit, Serbien klar zu machen, dass es das Kosovo längst verloren habe.

Marie Sagenschneider: Frau Beer, wie angespannt erleben Sie die Lage im Kosovo, denn es hat Demonstrationen gegeben, bei denen Menschen ums Leben gekommen sind, und Anschläge auf UN-Fahrzeuge in Pristina?

Angelika Beer: Die Situation ist angespannt, obgleich ich sagen muss, dass die Kosovo-Albaner noch bereit sind abzuwarten. Man ist sich eigentlich einig auf albanischer Seite, dass dieses Treffen in Wien, das heute stattfindet, eigentlich keinen Sinn macht. Die Kosovo-Albaner haben lange gewartet. Die Vorlage der UN-Resolution ist immer wieder verschoben worden auf Grund von vorgezogenen Neuwahlen in Serbien. Insofern, sage ich mal, das heute ist noch in Ordnung, aber die Spannungen werden natürlich steigen, wenn ein Vorschlag zum Beispiel von unserem Außenminister Steinmeier realisiert werden würde, der ja Anfang der Woche geäußert hat, man sollte jetzt doch mal warten, bis es in Serbien dann eine Regierung gibt. Das ist, glaube ich, eine Position, die nicht haltbar ist, die übrigens auch den Friedensprozess hier, nicht nur im Kosovo, sondern in der gesamten Region gefährden würde. Ich habe gestern mit der serbischen Minderheit in Mitrovica, in Nord-Mitrovica. Dort ist die Haltung ähnlich unpersönlich wie in Belgrad. Das heißt, sie sind nicht bereit das Wort "Unabhängigkeit" zu akzeptieren und insbesondere auch nicht bereit zu akzeptieren, dass diese Kosovo-Albaner eine eigene Streitmacht aufbauen, eine kleine, 3000 Mann maximal, aber da sind die Wunden der Vergangenheit, der gegenseitigen Vertreibung und Ermordungen einfach auf beiden Seiten zu groß, um noch Vertrauen zu schaffen. Deswegen denke ich, ist es an der Zeit, erstens Belgrad klarzumachen, dass Belgrad Kosovo längst verloren hat, nämlich durch die ethnische Säuberung unter Milosevic, und zweitens muss Ahtisaari, aber auch die anderen, insbesondere die EU-Präsidentschaft, und das ist Deutschland, den Mut haben, jetzt das Kind beim Namen zu nennen und wirklich auch die UN-Resolution vorzulegen.

Sagenschneider: Das wird ja passieren. Wenn es keine Einigung gibt, dann wird der Fall Kosovo demnächst eben vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen landen, der im Zweifelsfall ja ohne die Zustimmung der Kontrahenten eine Entscheidungen treffen kann. Die Frage ist nur, wird er das tatsächlich können, denn Russland steht ja bislang an der Seite Serbiens und droht mit einem Veto gegen eine Souveränität oder weit reichende Souveränität des Kosovos?

Beer: Die Drohungen kennen wir, die sind auch ernst zu nehmen. Auf der anderen Seite muss man auch Zwischentöne hören. Gerade auf der Sicherheitskonferenz in München hat Putin nicht mit Veto gedroht, sondern gesagt, es könnte sein, dass Russland nicht zustimmen kann, das heißt eine Enthaltung, und das heißt quasi, der Vorschlag von Ahtisaari kann implementiert werden. Nur, was entscheidend ist, und die Europäische Union bereitet sich ja darauf vor, wir werden hier im Kosovo zukünftig eine ISVP, eine außenpolitische Operation leiten, von der Polizei bis hin zur Ausbildung der Justiz, und das geht natürlich nur, wenn der Kosovo einen Status hat, eine legale Basis, dass diese Maßnahmen auch stattfinden können, denn so absurd es klingt nach acht Jahren von internationaler Präsenz, UNMIC, NATO, Polizei: Wenn wir hier alles abziehen würden, dann wäre hier ganz sicherlich der nächste Konflikt nicht nur im Kosovo, sondern auch zum Beispiel in Mazedonien oder auch in Bosnien-Herzegowina, wieder zugespitzt auf der Tagesordnung. Das kann keiner wollen. Deswegen muss nach dieser Runde heute, die Belgrad auch versucht hat zu blockieren, denn Belgrad hat in der Hand, eine eigene Delegation zusammenzusetzen. Sie haben sich geweigert, aus dem Süden Kosovos, wo die meisten Serben leben, Vertreter teilnehmen zu lassen. Das zeigt, Belgrad spielt auf Spaltung der europäischen und der internationalen Gemeinschaft, hat im Moment Unterstützung durch Russland. Aber jeder weiß, dass hier nach jahrelanger internationaler Präsenz und Stabilisierung jetzt die Kosovaren die Möglichkeit kriegen müssen, diesen Staat in die eigene Hand zu nehmen, und das Vertrauen sollte man ihnen geben.

 

 

 

 

 

 

 

 

 



Sagenschneider: Glauben Sie denn, Belgrad wird über kurz oder lang einlenken?

Beer: Ich fürchte, dass nicht, ich glaube das auch nicht. Es gib ein so genanntes Worst-Case-Szenario, was aber deutlich zu spüren war, also der schlechteste anzunehmende Fall, dass, wenn es keine Resolution gibt, Pristina wird sich die Hauptstadt hier für Kosovo unabhängig erklären. Eine gleiche Erklärung würde folgen in Nord-Mitrovica, das heißt, Belgrad würde den Einfluss ausüben, den Norden Kosovos zu spalten. Das wird dann eine sehr schwierige Situation, aber man ist hier, unsere internationalen Kräfte, auf alles vorbereitet. Nur: Je länger man wartet - und das ist mir das Dringlichste -, je länger man wartet und auf Kostunica, der partout eine Spaltung der internationalen Gemeinschaft und Kosovos will, wenn man weiter auf ihn zugeht und sagt, macht ihr eure Regierungsbildung, dann reden wir noch mal, das würde bedeuten, dass auch internationale Präsenz bis hin zu Militär hier für eine friedliche Entwicklung keine Garantie mehr geben kann.

 

 

 

 

 

 

 

 

 



Sagenschneider: Nehmen wir an, Frau Beer, es träte der günstige Fall ein und Belgrad würde einlenken, man würde sich letztlich vielleicht auf den Ahtisaari-Plan einigen. Wäre dann ein weitgehend unabhängiges Kosovo überhaupt überlebensfähig?

Beer: Ja, das ist das große Rätsel. Es ist vorgesehen, nach einer solchen Unabhängigkeitsentscheidung eine internationale Geberkonferenz einzuberufen, aber das wird es alleine nicht sein. Ich glaube schon, dass die Wirtschaft sich erholen wird, gerade auch in den ärmeren ländlichen Teilen, wenn diejenigen, die Interesse haben zu investieren, auch eine Rechtsgrundlage haben, wenn die Eigentumsverhältnisse auf Grund der Entscheidung dann geklärt sind. Es wird aber schon eine finanzielle Unterstützung der Gemeinschaft notwendig sein. Auf der anderen Seite sage ich, wie viel kostet uns der Militäreinsatz, die internationale Präsenz, das ständige Bereitsein, um im Eskalationsfall eingreifen zu können? Der Krieg ist sehr viel teurer als da noch mal eine Unterstützung im wirtschaftlichen Bereich zu geben. Die EU hat dort einige Maßnahmen vorbereitet. Und der zweite Punkt ist natürlich Serbien. Wir müssen Serbien gleichzeitig sagen, dass die Zukunft des gesamten Balkans und natürlich auch Belgrads in der EU liegen wird, wenn man endlich mit der Vergangenheit Schluss macht, die Kriegsverbrecher ausliefert und sagt, ja, wir wollen eine friedliche Entwicklung, wir wollen auch eine wirtschaftliche Zukunft, und die kann ja nicht bei Russland liegen, sondern die kann nur in der Europäischen Union liegen.

Sagenschneider: Vielen Dank für das Gespräch.

Deutschlandradio Kultur

 

© 2004 - Angelika Beer, MdEP.
Dieser Text ist Teil des Internetauftritts von Angelika Beer, MdEP.
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