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Angelika Beer
MdEP

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EU-Gelder für Palästinenser

19.04.2006

Die grüne Europaparla- mentarierin Angelika Beer plädiert für eine neue EU-Finanzpolitik gegenüber den Palästinensern. Im Südwest- rundfunk (SWR) sagte Beer, mit dem Geld müssten gezielt Nichtextremisten ¬Ñgestützt werden, von denen man hofft, dass sie bei der nächsten Wahl in der Lage sind, eine Mehrheit zu erhalten¬ì. Dazu gehöre auch die Fatah, die Partei des amtierenden Präsidenten Abbas. Niemand könne schließlich der EU den Empfängerkreis der Mittel vorschreiben. Die Palästinenser benötigten das Geld, um ¬Ñüberhaupt eine Lebensperspektive¬ì zu haben, sagte die ehemalige Parteivorsitzende der Bündnisgrünen. Falls die Europäische Union ihre Hilfe weiter einfriere, werde ¬Ñdie Hamas von extremistischen Ländern¬ì wie dem Iran unterstützt. Die neue palästinensische Regierung habe ¬Ñleider zu spät¬ì erst zugesichert, dass sie im Fall der Wiederaufnahme der EU-Finanzhilfen ¬Ñfür einen Gewaltverzicht eintreten¬ì wolle.


Wortlaut des Gesprächs:

Geissler: Eine Woche nachdem die Europäische Union ihre Zahlungen an die Palästinenser-Regierung gestoppt hat, ist auf traurige Weise klar geworden, dass damit nicht notwendigerweise auch dem Terror das Wasser abgegraben wird. Hat sich die EU da einer Illusion hingegeben?

Beer: So grausam dieser Terroranschlag jetzt auch war und wir nicht sicher sein können, ob weitere geschehen, glaube ich, dass die EU genau die falsche Richtung eingeschlagen hat. Denn man muss sehen, das nach dieser Wahl und der vorherigen Drohung, die Geldmittel einzustellen, heute den Palästinensern eigentlich gar nichts mehr anderes übrig bleibt, als sich in die Hände des Iran ¬ñ und das sind eben die Hände, die wir nicht wollen ¬ñ treiben zu lassen. Israel hat, und das ist zu kritisieren, sämtliche Gelder eingefroren, die Israel als Besatzungsmacht verpflichtet ist, auszuzahlen, also die Gehälter der Palästinenser. Die EU, die USA und Japan haben die Gelder gestrichen beziehungsweise eingefroren. Das heißt, es führt eher zu einer Eskalation. Und es ist nicht der Weg, um mit den moderaten Kräften in Palästina weiter den Kontakt aufrecht zu erhalten und zu stabilisieren. Das wäre aber dringend notwendig.

Geissler: Sie sagen: Gefahr eher einer Eskalation. Wie bewerten Sie die israelische Entscheidung, gegen die Hamas jetzt nicht militärisch vorzugehen. Hat Sie das überrascht?

Beer: Nein, es hat mich nicht überrascht. Ich bin froh, dass Präsident Olmert in dieser Situation der Regierungsbildung versucht, nicht eine Eskalation nach der anderen zu setzen. Aber was heißt, nicht militärisch vorgehen. Das heißt, dass extralegale Hinrichtungen, also die gezielte Ermordung von Hamas-Politikern, nach wie vor zur Praxis der israelischen Politik gehören. Ich glaube, dass auch dieser Weg nicht dazu führen wird, dass das, was die internationale Gemeinschaft noch einfordert, nämlich zurück zur Roadmap und das Recht beider Staaten in der Existenz, dass wir dort hinkommen. Man braucht ein wenig Geduld, um mit der Hamas erst mal reden zu können und zu wollen. Dass nicht mal diese Gespräche gesucht werden. Und Frau Merkel hatte dort eine Chance, andere Wege aufzuzeigen, darauf hat sie verzichtet. Ich halte es für einen Fehler. Man muss mit einer demokratisch gewählten Regierung reden. Denn was ist die Alternative. Wenn man sagt, das Ergebnis einer demokratischen Wahl passt uns nicht, dann streichen wir die Existenzgrundlage für das ganze Volk. Das ist keine Gleichung, die für eine friedliche Lösung stimmt.

Geissler: Nun gut, aber in den ersten Wochen nach dem Regierungswechsel hatte es ja so ausgesehen, als ob die Hamas zumindest Gewaltverzicht praktiziert, in Taten und in Worten, also zumindest eine der drei Forderungen der EU erfüllt. Jetzt aber, nachdem sich der Hamas-Sprecher dazu verstiegen hat, den Selbstmordanschlag als Selbstverteidigung zu legitimieren, was sehen Sie denn jetzt noch für eine Möglichkeit, die Hamas auf den Weg der Tugend zu bringen?

Beer: Ich glaube erstens, dass die EU ihre Entscheidung überprüfen muss. Es gibt ja andere Empfänger, keiner schreibt jemandem vor, auch der EU nicht, an wen das Geld zu gehen hat. Unser grundlegendes Anliegen muss es sein, dass das palästinensische Volk überhaupt noch eine Lebensexistenz hat, eine Chance überhaupt einer Lebensperspektive hat. Wenn wir bei der Streichung der Gelder bleiben, wird das so sein und das will ich verhindern, dass die Hamas von extremistischen Ländern, Organisationen, Regierungen, zum Beispiel von Ahmadinedschad im Iran unterstützt wird.

Geissler: An wen könnte das Geld gehen, alternativ, das Geld der EU. An die Fatah, an die Partei des Präsidenten Abbas, ist das praktikabel, problemlos wird das ja wohl nicht gehen?

Beer: Problemlos ist im Moment überhaupt nichts. Leider. Ich habe auch nicht den goldenen Schlüssel. Abbas ist sicherlich einer derjenigen, die gestützt werden müssen. Es müssen die Kräfte gestützt werden, von denen man hofft, dass sie bei der nächsten Wahl in der Lage sind, eine Mehrheit zu erhalten. Ich will aber auch noch mal sagen, die Hamas hatte zuletzt angeboten ¬ñ leider zu spät ¬ñ dass wenn das Geld wieder gezahlt wird, sie für einen Gewaltverzicht eintreten wird. Alle Seiten haben zu spät beziehungsweise zu hart reagiert. Und die Äußerung der Hamas ist natürlich fatal. Denn das wird Extremisten auf beiden Seiten weiter Unterstützung geben.

Geissler: Sie haben das Stichwort Iran schon genannt. Sie sind ja Iran-Expertin der grünen Europafraktion. Ist möglicherweise dieser ganze Konflikt um Palästina nur auf dem Weg über Teheran lösbar, mit einer Art Paketlösung, die all das, auch den Atomstreit mit einschließen muss?

Beer: Ich glaube, es gibt nur eine Lösung für den gesamten Konflikt, gerade nachdem Bush gestern den Einsatz von Nuklearwaffen gegen Iran nicht ausgeschlossen hat, ausdrücklich. Heute laufen noch einmal die Verhandlungen in Moskau zwischen den UN-Sicherheitsratsmitgliedern, und Deutschland ist dabei. Es gibt einen Weg, eine Schlüsselfunktion, die aber nicht der Iran ¬ñ und ich fixiere mich da nicht auf Ahmadinedschad, denn er ist ein Hassprediger, es gibt andere Kräfte im Iran, auch in der Regierung ¬ñ den Schlüssel haben die Amerikaner. Sie haben keinerlei Rechte zu sanktionieren, anzugreifen. Das alles klingt ja heute wie die Situation vor dem Präventivschlag gegen den Irak. Die USA sind in der Verpflichtung, selber zu verhandeln mit dem Iran, sowohl über die Frage der Nuklearpotentiale, der zivilen Nutzung der Atomenergie, die ich selber nicht unterstütze. Aber so ist es nun mal, das Recht hat der Iran. Und dagegen mit einem Nuklearwaffeneinsatz zu drohen, ist vollkommen verrückt. Die Möglichkeit, dass die Amerikaner jetzt, und das wird auch aus dem US-Senat gefordert, eine Deeskalation nach der psychologischen Kriegsführung einschlagen und sagen, wir nehmen direkte Gespräche mit dem Iran auf, das ist die einzige Chance, um überhaupt aus diesem Konflikt, was Palästina betrifft und die Hamas, wieder herauszukommen.

Südwestrundfunk (SWR)

 

© 2004 - Angelika Beer, MdEP.
Dieser Text ist Teil des Internetauftritts von Angelika Beer, MdEP.
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