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Angelika Beer
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Grüne Beer für Isaf-Einsatz ohne Beschränkungen

02.09.2007

Den Grünen steht eine hitzige Diskussion über Afghanistan bevor: Auf einem Sonderparteitag wollen sie ihre Position finden. Ein Vorschlag aus Straßburg könnte den Streit noch befeuern, wie Dietmar Neuerer berichtet.

Im Streit bei den Grünen um die Afghanistan-Einsätze der Bundeswehr hat die sicherheitspolitische Sprecherin der Grünen im Europaparlament, Angelika Beer, mit Blick auf den Parteitag eine Korrektur der bisherigen Strategie gefordert. In einem Netzeitung.de vorliegenden Positionspapier für den Grünen-Sonderparteitag am 15. September richtet Beer einen eindringlichen Appell an die Delegierten, sich auf ein ¬´klares Forderungsprofil¬ª zu verständigen, mit dem der Druck auf die Bundesregierung zur Beendigung der US-geführten Anti-Terror-Operation Enduring Freedom (OEF) erhöht werden solle.

Beer skizziert das Dilemma, in dem sich ihre Partei befindet und deutet einen Kompromiss an: ¬´Wir Grünen stehen vor der Entscheidung, ob wir den Wechsel nur fordern, und Isaf auch weiterhin zustimmen, obwohl die anderen Mandate auch gegen unsere Stimmen fortgeführt werden, oder gut begründet eine Fortführung der unveränderten bisherigen Mandate ablehnen¬ª, schreibt sie in ihrem Papier. ¬´Dies würde nicht bedeuten, Verantwortung für eine friedliche Zukunft Afghanistans abzulehnen, sondern einer unverantwortlichen Politik des 'weiter so in die falsche Richtung' eine Absage zu erteilen.¬ª

Konflikt mit Bush riskieren

Das Bundestagsmandat für die Afghanistan-Schutztruppe Isaf umfasst bislang 3000 deutsche Soldaten. Hinzu kommen 500 Soldaten, die für die Tornado-Aufklärungsflugzeuge mandatiert sind. Diese beiden Mandate sollen nach dem Willen der Koalition zusammengelegt werden. Das Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr ist im Rahmen von OEF vorgesehen. Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) will es bei dem Gesamtumfang von höchstens 3500 Soldaten belassen, die SPD befürwortet dagegen eine Aufstockung.

Beer plädiert für ein komplette Beendigung der Operation Enduring Freedom und eine Zusammenlegung mit dem Isaf-Mandat der Nato-geführten Schutz- und Sicherheitstruppe (Isaf). Es reiche nicht aus, wenn Bundesregierung und Deutscher Bundestag im Herbst beschließen, sich nicht mehr an OEF zu beteiligen, schreibt die Europaabgeordnete. ¬´Es geht um die notwendige Bereitschaft, diesen Konflikt mit der Bush-Administration zu führen, Bündnispartner für die Beendigung von OEF zu finden ¬ñ um so ein neues Sicherheitskonzept für Afghanistan unter Isaf zu entwickeln und umzusetzen.¬ª

Konkret geht es Beer darum, die US-geführte Anti-Terror-Operation OEF überzuführen in nur noch ein Mandat für Afghanistan: Isaf. Den Einsatz am Horn von Afrika, der derzeit ebenfalls durch das OEF-Mandat gedeckt ist, und an dem sich Deutschland mit Marinekräften beteiligt, will die Außenexpertin aber erhalten. Allerdings sollten die Vereinten Nationen dann hierzu nach OEF-Beendigung einen neuen Beschluss herbeiführen.

Einsatz ¬´ohne Beschränkungen¬ª

Von einer einheitlichen Isaf-Kommandostruktur in Afghanistan verspricht sich Beer, ¬´dass die tragischen Zivilopfer zukünftig vermieden werden können und der Wiederaufbau militärisch abgesichert werden kann¬ª. Die Grünen-Politikerin hält dann allerdings auch eine Ausweitung des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr für unumgänglich. Dies würde bedeuten, dass deutsche Soldaten auch im gefährlichen Süden eingesetzt werden könnten. Im Süden Afghanistans kommt es fast täglich zu schweren Gefechten zwischen Taliban und Soldaten der internationalen Friedenstruppe.

Beer begründete eine Einsatz-Ausdehnung damit, dass OEF nicht komplett beendet werden könne, ohne dass dies Auswirkungen auf die Isaf-Truppenstärke habe. Die Konsequenz sei daher, ¬´dass eine vorübergehende personelle Aufstockung von Isaf notwendig ist und zukünftig alle Soldaten je nach Notwendigkeit im ganzen Land ohne Beschränkungen zum Einsatz kommen¬ª, schreibt Beer und verweist auf das Kosovo, wo diese Strategie inzwischen ¬´bewährte Praxis¬ª sei.

Tornado-Aufklärung ¬´kein Tabu¬ª

Vor diesem Hintergrund sollte nach Beers ˆúberzeugung auch die Frage des weiteren Einsatzes von Tornados der Deutschen Luftwaffe zur Luftaufklärung ¬´kein Tabu¬ª sein. Eine Verlängerung des entsprechenden Bundeswehr-Mandats dürfe nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden. Gemäß den Sicherheitsanforderungen sollte der Einsatz der Aufklärer-Jets ¬´militärisch geprüft und bewertet werden¬ª, fordert sie.

Der Tornado-Einsatz ist bei den Grünen umstritten, selbst innerhalb des Bundesvorstands: Parteichefin Claudia Roth ist dagegen, der Co-Vorsitzende Reinhard Bütikofer dafür. Bei der Abstimmung im Bundestag Anfang März hatten dem Einsatz 26 Grünen- Abgeordnete zugestimmt, 25 votierten mit Nein oder enthielten sich. Die Parteispitze beugt dieser Zerrissenheit in den eigenen Reihen vor, indem sie in ihrem Leitantrag für den Afghanistan-Parteitag am 15. September in Göttingen keine gemeinsame Haltung oder einen Entscheidungs-Vorschlag des Vorstands zur Frage der Tornados festgeschrieben hat. Wie sich die rund 800 Delegierten dazu verhalten werden, ist nicht abzuschätzen. Erwartet werden hitzige Diskussionen.

Auch über die Haltung der Grünen zur Beteiligung der Bundeswehr an Isaf sowie an OEF dürfte hart gerungen werden, wobei hier das Meinungsbild deutlicher ist. Die Parteiführung machte jedenfalls keinen Hehl daraus, dass sie klar hinter der Fortsetzung des Isaf- Einsatzes der Bundeswehr steht, ebenso eindeutig lehnt sie die Weiterführung des Anti-Terror-Kampfes der Operation Enduring Freedom ab. Zudem bekräftigt sie ihre Forderung nach einem ¬´Strategiewechsel¬ª hin zu einem deutlich größeren zivilen Engagement in Afghanistan.

Eupol mit «katastrophalem Fehlstart»

Dafür plädiert auch die Grünen-Europaabgeordnete Beer: ¬´Die internationalen Bemühungen zum Aufbau der afghanischen Armee und der Polizei sind zu verstärken¬ª, fordert sie in ihrem Positionspapier. Der Beschluss der Europäischen Union (EU), ein Polizeikontingent von 160 Beamten (Eupol) bereitzustellen, sei ¬´ein erster positiver Schritt aber ungenügend¬ª.

Ähnlich kritisch hatte sich Beers Parteifreund, Winfried Nachtwei, geäußert. In der ¬´Süddeutschen Zeitung¬ª bescheinigte der Afghanistan-Experte der Grünen-Bundestagsfraktion dem EU-Projekt einen ¬´katastrophalen Fehlstart¬ª: Personelle und finanzielle Ausstattung von Eupol seien völlig unzureichend. Nachtwei bezog sich auf Auskünfte der Bundesregierung zum Stand der am 15. Juni angelaufenen Eupol-Mission, die er Ende Juli erbeten und jetzt erhalten hat.

Konzept gegen Drogenanbau gefordert

Beer äußerte sich überdies kritisch zum Problem des Drogenanbaus. In der afghanischen Provinz Helmand erwarten die Bauern laut UN-Angaben in diesem Jahr eine Rekord-Mohnernte - und werden damit die Opium- und Heroinproduktion kräftig ankurbeln. Um rund 48 Prozent wird demnach der diesjährige Ertrag die Ernte des vergangenen Jahres übertreffen, die ihrerseits bereits alle Rekorde gebrochen hatte. Insgesamt 8200 Tonnen Opium wird das Land produzieren, erwarten die Vereinten Nationen. Das nutzt vor allem den radikalen Islamisten.

Grünen-Sicherheitsexpertin Beer forderte daher, die internationale Staatengemeinschaft müsse ein alternatives und wirksames Konzept zur Bekämpfung des Drogenanbaus erarbeiten und umsetzen. ¬´Die Praxis der Amerikaner, die Drogenfelder einfach abzubrennen hat ein Ansteigen des Drogenanbaus nicht verhindern können¬ª, so Beer. Die Bauern bräuchten alternative Einkommensquellen. ¬´Landwirtschaftskonzepte sind ebenso zu entwickeln wie die Teillegalisierung des Drogenanbaus für medizinische Zwecke, um den weltweiten Bedarf kontrolliert zu decken.¬ª

Kritik an «Cliquenwirtschaft» Karsais

Beer mahnte zudem an, die Rolle des afghanischen Präsidenten Hamid Karsai kritisch zu hinterfragen. ¬´Es gibt massive Hinweise darauf, dass Korruption und Cliquenwirtschaft von ihm nicht nur toleriert sondern gefördert werden¬ª, schreibt Beer in ihrem Afghanistan-Papier. So wiesen Experten darauf hin, dass Geld der Weltgemeinschaft in Kabul auf der Bank liege, die Vergabe aber nicht international kontrolliert werde, sondern Karsai entscheide, welche Projekte gefördert werden und welche nicht. ¬´Offensichtlich ist nicht die Bedürftigkeit das entscheidende Kriterium sondern Stammeszugehörigkeit und Korruption¬ª, schlussfolgert Beer.

Mit Blick auf den politischen Streit in Deutschland, ob man mit ¬´moderaten¬ª Taliban verhandeln sollte oder nicht, stärkte Beer der SPD-Führung den Rücken. Als der Chef der Sozialdemokraten Kurt Beck im Frühjahr gefordert hatte, auch Taliban an einer neuen Afghanistan-Konferenz zu beteiligen, trieb er einen Keil in die Große Koalition. Bei der Union löste er Entsetzen ob seiner ¬´abenteuerlichen Vorstellung¬ª aus. Dagegen wurde er von SPD-Politikern unterstützt. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) plädierte dafür, moderate Kräfte einzubinden.

¬´Dringend Dialog mit Taliban führen¬ª

Grünen-Politikerin Beer mahnte, angesichts des Streits die Realität am Hindukusch nicht außer Acht zu lassen. ¬´Zur Verhinderung einer weiteren Radikalisierung der afghanischen Gesellschaft ist es unerlässlich, auch mit Teilen der Taliban zu verhandeln¬ª, betonte sie. Auf regionaler Ebene sei dies außerdem längst Praxis. Beer: ¬´Der Dialog mit 'moderaten Taliban' muss dringend organisiert werden.¬ª

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