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Angelika Beer
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Von Wogau im militärischen Wolkenkuckucksheim

03.10.2006

Umsetzung der europäischen Sicherheitsstrategie

Am 3. Oktober ist im Auswärtigen Ausschuss (AFET) der Bericht von Karl von Wogau angenommen worden. Die Fraktion der Grünen/EFA stimmte entschieden gegen den Bericht, der die Europäische Sicherheitsstrategie nur noch auf militärische Aspekte reduziert, eine "Europäische Sicherheits- und Verteidigungsunion" fordert und eine Europäische Mittelmeerflotte aufbauen will. Zustande gekommen ist der letztlich angenommene Bericht entgegen aller Spielregeln. Es bleibt die Hoffnung, dass der Berichterstatter im Plenum hierfür die Quittung bekommt.

Schon der Titel stimmt nicht mit dem Inhalt des Berichts überein. Im Bericht geht es ausschließlich um militärische Aspekte der ESVP und insbesondere um konkrete Ausrüstungs- und Beschaffungsmaßnahmen. Dabei basiert die Europäische Sicherheitsstrategie und auch die ESVP einen deutlich weitergehenden vielschichtigeren Sicherheitsbegriff. Die ESS spricht nicht an erster Stelle von militärischen Maßnahmen als Antwort auf die Hauptbedrohungen unserer Zeit. Auch die ESVP besteht aus zwei Komponenten - einer zivilen und einer militärischen. Kurz: Der Wogau-Bericht entwirft ein militarisiertes Zerrbild der ESVP, quasi einen Gegenentwurf zur ESS und der im Auftrag des EU-Außenbeauftragten Solana erstellten "Human Security Doctrine".

Dieser Militarisierungswahn verstärkt sich dann noch weiter in den zahlreichen konkreten Einzelpunkten, aufgrund derer wir den Bericht entschieden zurückgewiesen haben.

So fordert von Wogau eine "Europäische Sicherheits- und Verteidigungsunion". Statt die dringend notwendige Harmonisierung, die immer noch nur auf dem Papier steht, weiter voranzutreiben, eröffnet von Wogau hier ein militärisches Wolkenkuckucksheim. Über eine integrierte Union kann man frühestens reden, wenn Europa eine Verfassung hat und auch dann wohl erst in einigen Jahrzehnten.

Außerdem fordert der Bericht den Aufbau einer EU-Mittelmeerflotte. Auch mit eigenen Flugzeugträgern. Der ganze Komplex Europäischer Rüstungsmarkt nimmt einen viel zu großen Platz in dem Bericht ein und trägt auch problematischen Entwicklungen in dem Bereich nicht Rechnung. Hinzu kommt die Unschärfe bei der Trennung von zivilen und militärischen Entscheidungsstrukturen, aber auch im Bereich von Forschung und Entwicklung.

In guter Zusammenarbeit mit den Sozialdemokraten war es uns gelungen, noch gravierendere Punkte zu verhindern: So forderte Von Wogau ursprünglich militärische Präventiveinsätze, einen europäischen Generalstab, sowie Militäreinsätze, die nur "wenn möglich" mit einem Mandat der UN operieren.

Hinzu kam eine Sprache in Bezug auf die Bedrohungsanalyse, die stark von der amerikanischen nationalen Sicherheitsstrategie inspiriert war: Man wolle gegen den "Feind" gewappnet sein, am besten mit Alliierten, notfalls auch alleine.

Entschärfen konnten wir auch Von Wogau Idee zur Einsatz von militärischen ESVP-Kräften gegen Flüchtlinge an Europas Außengrenzen. Nur durch Grüne ˆÑnderungsanträge sind zentrale Konzepte wie der "effektive Multilateralismus", der Hinweis auf den und der Kampf gegen die Proliferation von Massenvernichtungswaffen sowie Armut und Ressourcenknappheit aufgenommen worden.

Auch mussten wir ˆÑnderungsanträgen die zivilen Instrumente europäischer Sicherheitspolitik wieder in Erinnerung rufen: Das Europäische Zivile Friedenskorps und die European Peacebuilding Partnership.

Einziger positiver Punkt an dem Bericht, der am Ende geblieben ist, war die parlamentarische Mitbestimmung. Alle Fraktionen haben das von Grüner Seite angeregte Junktim unterstützt. Je mehr Kompetenzen die EU im Bereich Sicherheit und Verteidigung bekommt, desto mehr Rechte der parlamentarischen Mitbestimmung.

Enttäuschen muss das Abstimmungsergebnis im AFET umso mehr, als der Abstimmung mehrere Wochen intensive Verhandlungen sowohl mit dem Berichterstatter, als auch mit der Fraktion der Sozialdemokraten, die dem Bericht auch kritisch gegenüberstanden, vorausgegangen waren. Am Ende der Verhandlungen konnten eine Reihe von Kompromissanträgen schriftlich fixiert werden, die sowohl für uns Grüne als auch für Christdemokraten und Sozialdemokraten tragbar waren. Entgegen aller Spielregeln im Ausschuss und dem Fair Play hat der Berichterstatter jedoch seine eigenen Kompromissanträge durch mündliche ˆÑnderungsanträge in letzter Minute wieder verzerrt.

Der jetzt vorliegende Bericht ist völlig inakzeptabel und geht an allen Realitäten vorbei. Allerdings ist er noch nicht durchs Plenum und so bleibt die Hoffnung, dass dort durch uns noch einiges korrigiert werden kann.

 

© 2004 - Angelika Beer, MdEP.
Dieser Text ist Teil des Internetauftritts von Angelika Beer, MdEP.
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