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Angelika Beer
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Balkan: Während alles auf den Sicherheitsrat starrt, wird die EU ihrer Verantwortung nicht gerecht

04.04.2007

Angelika Beer, sicherheitspolitische Sprecherin der Grünen/EFA

Seit dem 3. April ist der UN Sicherheitsrat mit dem zukünftigen Status des Kosovo befasst. Das Ergebnis der ersten Befassung ist alarmierend: Nur 4 der 15 Sicherheitsratsmitglieder haben den Ahtisaari-Vorschlag vorbehaltlos unterstützt. Ein mit einem baldigen Ergebnis ist nicht zu rechnen. Nicht nur der UN Sicherheitsrat wird seiner Verantwortung nicht gerecht, sondern auch die EU droht den westlichen Balkan aus den Augen zu verlieren. In der aktuellen Debatte über die Zukunft des Kosovos versteckt sie sich hinter dem UN Beauftragten Athisaari. Ansonsten kümmert sie sich intensiv um die eigene Verfasstheit. Europa ist in Gefahr, das ursprüngliche Ziel zu verfehlen. Das Ziel nämlich, baldmöglichst einem unabhängigen demokratischen Kosovo, einem demokratischen Serbien und demokratischen Makedonien die EU-Mitgliedschaft zu gewähren. Dies ist das unmittelbare Sicherheitsinteresse Europas.

Die Leichtfertigkeit aber, mit der die EU die in Thessaloniki versprochene EU-Perspektive in Frage stellt und damit den Reform-Motor für die Länder stoppt, hat die Menschen auf dem Balkan aufschrecken lassen. Man fragt sich, warum der westliche Balkan die Rechnung dafür begleichen soll, dass Europa nicht in der Lage ist, sich einen Verfassungsvertrag zu geben.

Insbesondere im Kosovo steht die Glaubwürdigkeit der EU auf dem Spiel. Gerade dort ist eine schnelle und konsequente Entscheidung für eine Unabhängigkeit unter Aufsicht der EU und NATO notwendig, da ein "weiter so" negative Auswirkungen auf die gesamte Region haben würde. Das internationale Versprechen an die Kosovaren, sie bis Ende 2006 in die Unabhängigkeit zu entlassen, ist mit Rücksicht auf Belgrad mehrmals vertagt und das Wort "Unabhängigkeit" seitdem vermieden worden. Sicher, die EU muss sich ebenso um eine Annäherung mit Serbien bemühen und gleichzeitig unterstreichen, dass Serbien das Kosovo durch die Politik Milosevics längst verloren hat. Deshalb stellt sich zwingend die Frage, aus welchem Grunde Brüssel zwar begonnen hat, sich auf die Übernahme der grössten Mission der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) im Kosovo vorzubereiten, aber sich gleichzeitig scheut, die Grundlage für diese Mission zu schaffen. Denn die ESVP Mission wird es nur geben, wenn der UN Sicherheitsrat die Resolution 1244 außer Kraft setzt und EU und NATO ein neues Mandat erteilt. Jetzt entsteht der Eindruck, dass es der deutschen Doppelpräsidentschaft von G 8 und EU wichtiger erscheint, bis Ende Juni einen Erfolg in Fragen der Zentralasienstrategie und dem Handelsabkommen zwischen EU und Russland vorweisen zu können. Deswegen geht man dem Konflikt mit Putin in der Kosovo-Frage aus dem Weg.

Die Akte "Unabhängigkeit Kosovos" droht unbearbeitet an Portugal weitergegeben zu werden. Dabei ist es naiv zu glauben, die Präsenz von KFOR und UNMIK werde drohende Unruhen schon verhindern. Dies ist außerdem unverantwortlich, weil jeder weiß, dass Militär - und Polizeipräsenz kein Politikersatz sein können. Und klar ist auch, dass das Politikvakuum und eine weitere Verzögerung der Unabhängigkeit weder zum Meinungswechsel in Belgrad führen, noch den Minderheiten im Kosovo das Gefühl der Sicherheit geben werden.

Die aktuelle Lage in Makedonien und Bosnien-Herzegowina erfordern ebenfalls ein intensives europäisches Engagement. Das vor kurzem getroffene Urteil Den Haags zum Genozid in Srebrenica hat in Bosnien die ethnische Polarisierung verschärft und den politischen Wind gedreht. Die Bosniaken sind so bitter enttäuscht, dass sie nicht nur an der EU zweifeln, sondern nationalistische Töne die derzeitige Föderation mit der Republik Srbska in Frage stellen. Anstatt dem Hohen Repräsentanten der EU, Schwarz-Schilling, angesichts stockender Polizei- und Verfassungsreform den Rücken zu stärken, hat man seine wichtige Vermittlungsfunktion durch den beschlossenen Personalwechsel geschwächt. Man hat begonnen die europäischen Zelte abzubauen, ohne dass das Land sich von Dayton emanzipieren konnte.

Auch ein Blick nach Makedonien, dem Land also, in dem NATO und EU durch rechtzeitiges Eingreifen einen drohenden Bürgerkrieg verhindert haben und das lange als Musterschüler auf dem Westbalkan galt, zeigt neue Risse auf. Dort wird der Friedensvertrag von Ohrid von der stärksten Regierungspartei in Frage gestellt und das Parlament in Skopje von der größten albanischen Partei seit Monaten boykottiert. Die Bevölkerung ist angesichts stagnierender Wirtschaft und hoher Arbeitslosigkeit - wie auf dem gesamten Balkan - frustriert. Die Regierung setzt auf eine baldige NATO- und EU-Mitgliedschaft, ohne den Schwung für die Umsetzung der notwendigen Reformen aufzubringen.

Angesichts der zunehmenden Probleme auf dem westlichen Balkan muss die EU jetzt beweisen, ob sie das Friedensprojekt Europa retten kann und will. Der Prozess der Demokratisierung und wirtschaftlichen Stabilisierung erfordert von allen Seiten einen langen Atem. Er wird nur gelingen wenn Reformdruck und Anreize ausreichend und überzeugend sind. Die aktuelle Lethargie aber haben weder die Menschen auf dem Balkan, noch die international entsandten Polizisten und Soldaten verdient. Allein ein Blick auf die neue europäische Landkarte sollte ausreichen, die Probleme endlich beherzt in die Hand zu nehmen: Der Westbalkan liegt längst mitten in Europa.

 

© 2004 - Angelika Beer, MdEP.
Dieser Text ist Teil des Internetauftritts von Angelika Beer, MdEP.
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