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EU-Truppe f¸r den Tschad fraglich

22.09.2007

Frankreich wirbt f¸r Einsatz im Krisengebiet, der anderen L”ndern zu aufwendig ist

Von Martin Winter

Br¸ssel - Der erste Anlauf endete als mittleres Debakel. Als der Milit”rstab der Europ”ischen Union Anfang der Woche die nach Br¸ssel gereisten Generalstabsoffiziere der Mitgliedsl”nder um Truppen f¸r einen Einsatz im –stlichen Tschad bat, machte sich betretenes Schweigen breit. Nur Belgier und Polen hoben die Hand und boten je 150 Soldaten. Mit den von Frankreich zugesagten 1000 Mann, die aber ohnehin schon im Tschad stationiert sind, liegt die EU damit weit unter den von ihr f¸r erforderlich gehaltenen 3700 Soldaten, um in der Grenzregion zur sudanesischen Krisenregion Darfur etwas ausrichten zu k–nnen.

Ein neuer Versuch wird am kommenden Montag unternommen. Doch kaum einer glaubt in Br¸ssel, dass die L”nder genug Soldaten stellen. Denn eine groþe Mehrheit der EU-Regierungen vermag den Sinn dieses Einsatzes, der parallel zur Blauhelm-Mission der Vereinten Nationen und der Afrikanischen Union in Darfur stattfinden soll, nicht so recht nachzuvollziehen. Sowohl in London wie in Berlin heiþt es, der geplante Einsatz rechtfertige weder seine "enormen finanziellen noch materiellen Mittel".

Diese Einsch”tzung zieht sich quer durch die Union. Dass der Plan dennoch seit Wochen im Komitee f¸r Sicherheit und Politik der EU (PSK) beraten und kommende Woche vielleicht in irgendeiner Form abgesegnet wird, hat einen politischen Grund: Niemand m–chte den franz–sischen Staatspr”sidenten Nicolas Sarkozy auflaufen lassen. Den Tschad-Einsatz hat Sarkozy im Wahlkampf versprochen und n”chsten Dienstag will er vor den Vereinten Nationen eine groþe Rede ¸ber Darfur und seine Menschen halten, die zum Teil im –stlichen Tschad in Lagern Zuflucht gesucht haben.

Doch um den Schutz dieser Fl¸chtlinge, der –ffentlich als Begr¸ndung f¸r diesen Einsatz herhalten muss und der f¸r Europaabgeordnete wie die Verteidigungsexpertin der Gr¸nen Angelika Beer ein Grund f¸r ihre Zustimmung ist, geht es in Wirklichkeit gar nicht. Wie in Br¸ssel aus den Beratungen des PSK zu erfahren war, sind die Lager der Darfuris sogar ausdr¸cklich vom Einsatzauftrag ausgenommen. Die Lager gelten als "milit”risch nicht gef”hrdet" und die sie betreuenden Nichtregierungsorganisationen haben die EU angeblich gebeten, ihre Soldaten m–glichst fernzuhalten. Auch die Sicherung der Grenze zum Sudan gegen Einf”lle sudanesischer Milizen sieht das geplante Mandat nicht vor.

Der Auftrag, wie er von Frankreich gew¸nscht wird und wie er sich im PSK abzeichnet, umfasst zwei Aufgaben: Ausbildungshilfe f¸r die Armee des Tschad, die mit den Rebellen im eigenen Land nicht fertig wird. Und die Sicherung eines 10 000 Quadratkilometer groþen, an den Sudan angrenzenden Gebietes, in das sich interne Fl¸chtlinge des Tschad vor den Rebellen zur¸ckgezogen haben. Die Frage, was das mit der Bew”ltigung des B¸rgerkrieges im Sudan und der humanit”ren Katastrophe in dessen Provinz Darfur zu tun hat, wird in Br¸ssel damit beantwortet, dass alles, was in dieser Gegend zur Stabilit”t beitrage, letztlich auch der Beilegung des Konfliktes im Sudan zugute kommen k–nnte.

Dieses Argument bezeichnen Diplomaten mehrerer L”nder als "nicht ganz abwegig", aber sie wollen es lieber nicht n”her diskutieren. Die meisten Regierungen, wie etwa die deutsche, benutzen es als offizielle Begr¸ndung daf¸r, dass sie die Debatte ¸ber den Tschad-Einsatz unter europ”ischer Flagge nicht einfach stoppen. Man wolle, heiþt es dazu, selber zwar nicht hin, aber auch denen keine Steine in den Weg legen, die es zu milit”rischer Aktion dr”nge. Hinter vorgehaltener Hand freilich wird gerne daran erinnert, dass Frankreich traditionell nationale Interessen in der Mitte Afrikas verfolge, dass es eine st”ndige Garnison im Tschad unterhalte und dass Paris dem von den Rebellen bedr”ngten Pr”sidenten Idriss DÈby im vergangenen Jahr milit”risch beigesprungen sei und einen Marsch der Aufst”ndischen auf die Hauptstadt N"Djamena gestoppt habe.

Sarkozys Nimbus gef”hrdet

F¸r den wahrscheinlichen Fall, dass es Sarkozy nicht gelingt, eine ausreichende Zahl seiner Kollegen in der EU zur Entsendung von Soldaten zu bewegen, werden in Br¸ssel drei Optionen durchgespielt. Zum einen, den Einsatz ganz abzublasen. Das gilt allerdings als unwahrscheinlich, weil es eine auþenpolitische Niederlage f¸r den franz–sischen Pr”sidenten w”re, die seinen Nimbus als unerm¸dlicher und erfolgreicher Beweger der Politik besch”digen k–nnte.

Die zweite M–glichkeit w”re, dass Paris die Truppen stellt, die die anderen verweigern. Im PSK hat Frankreich bislang allerdings darauf bestanden, dass mindestens die H”lfte der Soldaten aus anderen L”ndern kommen soll. Paris m–chte den Eindruck vermeiden, dass es sich bei der Mission um einen in Wahrheit franz–sischen Einsatz handelt. Diplomaten in Br¸ssel vermuten aber noch einen anderen Grund. Die Operation im Tschad bringt auþerordentlich hohe Kosten f¸r die beteiligten L”nder mit sich. Der Transport der Soldaten in das Einsatzgebiet ist extrem aufwendig. Um wirksam zu sein, muss die Truppe mit rund 30 Hubschraubern ausgestattet werden, von denen noch niemand weiþ, wo sie herkommen sollen. Und der Nachschub gestaltet sich schwierig. So brauchen die Soldaten in dem heiþen W¸stenklima nach Berechnung der milit”rischen Planer zum Beispiel 40 000 Liter Trinkwasser pro Tag. Die m¸ssen eingeflogen werden, weil man den Einheimischen schlieþlich nicht ihre wenigen Brunnen leerpumpen will. Ob Paris fast die gesamten Kosten der Mission tragen k–nnte, wird in Br¸ssel bezweifelt.

Als dritter und wahrscheinlichster Ausweg aus dem Dilemma wird eine Verringerung des Umfangs und des Auftrags der Mission diskutiert. Etwa Ausbildung tschadischer Einheiten erg”nzt durch eine Eingreiftruppe f¸r Notf”lle.

In den n”chsten Wochen wird der EU-Ministerrat ¸ber den Einsatz beschlieþen. Voraussetzung daf¸r sind nicht nur ausreichende Kr”fte, sondern auch ein Auftrag des UN-Sicherheitsrates. Den hofft die EU am Dienstag oder Mittwoch zu bekommen. Und l”nger als zw–lf Monate will sie auf keinen Fall im Tschad bleiben. Danach sollen die UN die Aufgabe ¸bernehmen. Doch da gibt es ein Problem. Der mit Paris eng verbandelte Pr”sident DÈby mag sich mit diesem Gedanken nicht so recht anfreunden.

S¸ddeutsche Zeitung

 

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Dieser Text ist Teil des Internetauftritts von Angelika Beer, MdEP.
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