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Angelika Beer
MdEP

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Bosnien Herzegowina - Droht die EU auf dem Balkan zu scheitern?

08.11.2007

Schlussfolgerungen von Angelika Beer, MdEP die Grünen, nach dem jüngsten Aufenthalt in Bosnien-Herzegowina vom 29.-31. Oktober 2007

Gesprächspartner waren unter anderem: HR und EUSR Miroslav Lajcak
COM EUFOR Konteradmiral Witthauer, VertreterInnen NGO, Böll-Stiftung, OSZE, UN, Außenminister BiH, Bürgermeister und Polizeichef in Foca,
Deutsches Bundeswehrteam LOT House Foca


Die internationale Aufmerksamkeit fokussiert sich seit Monaten auf die Statusfrage des Kosovos und den 10. Dezember 2007. Nach meinem letzten Aufenthalt dort Anfang September (siehe auch beigefügtem Bericht ¬ÑDas Zeitfenster für eine friedliche Lösung endet am 10.12.2007¬ì) habe ich die jüngste Reise nach Bosnien Herzegowina vorbereitet, um vor Ort einen Eindruck davon zu bekommen, wie sich die Verzögerung der Klärung der Statusfrage des Kosovos auf das Nachbarland auswirkt. Schwerpunkt meines letzten Besuches in BiH im März 2007 war die EU Mission ALTHEA. Die jüngste Reise fiel in den Zeitraum einer Reihe von Ereignissen, die manche westliche Zeitungen als ¬ÑDie größte Krise Bosniens seit dem Krieg¬ì betitelten.

¬ÑDie Größte Krise Bosniens seit 1992¬ì - Was ist geschehen?

Anfang Oktober scheiterte der 2. Versuch der Polizeireform in BiH. Nach dem es gelungen war, die Reform der Streitkräfte Bosniens und der Republik Srpska erfolgreich umzusetzen, ist die Polizeireform eine der entscheidenden Voraussetzungen, um die Ratifizierung des Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit der EU abzuschließen.

Als Reaktion auf das Scheitern der Gespräche erließ der Hohe Vertreter und Sondergesandte der EU Miroslav Lajcak durch Anwendung der ¬ÑBonn-Powers¬ì eine Neuordnung des Ministerrats mit dem Ziel, dass Gesetzesvorhaben nicht länger durch bloße Abwesenheit einer der Entitäten blockiert werden kann. Zukünftig gilt für Ministerrat und Parlament die Mehrheit der anwesenden Abgeordneten. Diese ¬ñ längst überfällige - Anwendung der ¬ÑBonn-Powers¬ì löste bei Politikern aus der Republik Srpska, ihnen voran der Ministerpräsident Dodik, heftigen Protest aus. Sie forderten die sofortige Rücknahme der Weisung durch den HR und drohten, ansonsten alle serbischen Politiker am 29.10. aus allen Regierungsämtern zurückzuziehen.
Die Rhetorik wurde dann soweit zurückgefahren, dass es am 28.10.Vertretern der 6 führenden Parteien Bosnien-Herzegowinas in Mostar gelang, sich auf die Grundzüge der Polizeireform zu einigen (Anlage 2). Während in Banja Luka Demonstrationen mit Plakaten von Putin gegen den HR stattfanden, wurden ursprünglich angekündigte Protestkundgebungen vor dem Gebäude des HR abgesagt. Gleichzeitig erklärte Serbiens Premier Kostunica, man prüfe der Krise in Bosnien mit einer Parlamentsdeklaration über den Status der Republika Srpska zu begegnen. Am 30. und 31. Oktober fand das regelmäßige PIC Treffen (Friedensimplementierungscouncil) statt. An dessen Ende stand eine einvernehmliche Erklärung (Anlage 3). Erstmals erklärte die russische Seite in einer Fußnote, dass sie die Maßnahmen des HR zurückweist. So war es wenig verwunderlich, dass der serbische Ministerpräsident Bosnien-Herzegowinas Nicola Spiric am 1. November seinen Rücktritt erklärte.
Im selben Zeitraum erschienen erste Presseberichte über den neuen ¬ÑFortschrittsbericht¬ì des EU Erweiterungskommissars Olli Rehn ¬ñ ein Dämpfer für Hoffnung fast aller EU Kandidaten auf dem Balkan.

Rückzug der Serben aus der Regierung BiH ? ¬ñ Hintergründe

Die aktuelle Entwicklung in BIH steht im direkten Zusammenhang mit der Statusfrage Kosovos. Die Tatsache, dass Belgrad mit Unterstützung Moskaus eine Einigung auf eine konditionierte Unabhängigkeit Kosovos blockiert und auch über den 10. Dezember hinaus verhindern will, hat dazu geführt, dass auch die Einflussnahme Belgrads und Moskaus auf die Republik Srpska wächst. Die Auswirkungen des inzwischen 12 Jahre alten Daytoner Friedensvertrages, der sich am 21. November jährt, liegen klar auf der Hand. Zwar war Dayton der damals einzige Weg für ein Kriegsende ¬ñ aber gleichzeitig wurde mit der Schaffung der kroatisch muslimischen Föderation Bosnien und Herzegowina und der serbischen Entität Republik Srpska die ethnische Trennung manifestiert. Eine ähnliche Entwicklung gilt es zu bilanzieren aufgrund des Ohrid Abkommens in Makedonien und der Resolution 1244 im Kosovo.

Russland hat am Tisch Platz genommen- Ende der EUFOR Mission in Bosnien Herzegowina?

Es gilt, mehrere Daten im Zusammenhang zu sehen. Da geht es nicht nur um die Wahlen im Kosovo am 17. November 2007 und die Übergabe des Berichts der Troika an den UN Beauftragten am 10.12.2007, sondern auch um die noch für Dezember 2007 geplante Präsidentenwahl in Belgrad ¬ñ und insbesondere um die Verlängerung der EU Mission in Bosnien, ALTHEA, bis zum 21. November in New York. Die Entscheidung über die bisher unstrittige Verlängerung des EUROR Mandates für Bosnien bekommt eine neue Bedeutung für den gesamten Balkan. Nicht wenige Gesprächspartner halten es durchaus für möglich, dass RUS dort sein Veto einlegen könnte, verbunden mit der Forderung, dass EUFOR beendet und der HR mit seinen ¬ÑBonn-Powers¬ì zurückgezogen wird.
Ein solches Veto stünde im unmittelbaren Zusammenhang der Rolle RUS in der Kosovo Frage. Die Folge wäre also nicht nur ein Rückzug der EUFOR Mission aus BiH, sondern ein fehlendes Mandat für die zukünftige EUFOR Mission im Kosovo (Polizei und Justiz). Auch wenn der Hohe Beauftragte Solana am 3. Oktober vor dem Auswärtigen Ausschuss des EP erklärt hat, es werde die EUFOR Mission im Kosovo geben ¬ñ mit oder ohne neue Resolution des Sicherheitsrates.

Das dann drohende Szenario: Pristina erklärt sich unabhängig, Nordmitrovica (serbisch bewohnt) tut das gleiche, die Albaner im Presevo könnten sich Kosovo zugehörig erklären und die Republik Srpska könnte sich aus dem Staatenverbund lösen. Serbien selbst dürfte sich weg von der EU hin zu Russland orientieren.

Die EU muss ihr Scheitern auf dem Balkan verhindern

¬ï Agieren der EU Beauftragten harmonisieren! Zwei hohe Beauftragte der EU: Ischinger und Lajcak- beide seit einigen Monaten im Amt, um die Situation im Kosovo bzw. Bosnien zu konsolidieren - scheinen in Teilen gegensätzlich zu agieren. Während Ischinger die Diskussion über Teilung des Kosovos, einem Dayton 2 uvm. zum Gegenstand der öffentlichen Debatte machte, ist insbesondere er es, der nach immer wieder neuen Zugeständnissen an Belgrad sucht, um Belgrads starre Position im Hinblick auf Kosovo zu verändern. Ein erfolgloser Versuche, denn eine Karotte die groß genug ist, dass eine serbische Regierung auf Kosovo verzichtet, gibt es nicht. HR Lajac hingegen setzt die Bonn- Powers ein, um die serbische Blockade bei den Reformen in BiH. aufzubrechen.
¬ï EUMM ¬ñ EU Monitor Mission nicht beenden! Diese ohne jede Schlagzeilen arbeitende zivile Mission war bislang Garant dafür, frühzeitig über problematische Entwicklungen im westlichen Balkan Informationen zu erhalten. Sozusagen ein Frühwarninstrument, das gerade in den vor uns liegenden Monaten unverzichtbar ist. Vor kurzem entschied HR Javier Solana, diese Ende 2007 ersatzlos zu beenden. Die Arbeit von EUFOR, insbesondere der Liason and Observation Teams (LOT) kann hierfür kein ausreichender Ersatz sein.
¬ï Unabhängigkeit Kosovos jetzt vorbereiten! Die EU muss jetzt agieren und endlich das Abwarten hinsichtlich der Statusfrage Kosovos beenden. Jetzt spätestens muss die kontrollierte Anerkennung der Unabhängigkeit Kosovos bei bleibender internationaler Präsenz vorbereitet werden.
¬ï Bosnien das SAA Abkommen anbieten! BiH ist ¬ñ trotz noch nicht umgesetzter Polizeireform ¬ñ auf der Grundlage der Vereinbarung von Mostar die Unterzeichnung des SAA Abkommens anzubieten. Nur so kann man eine Spaltung BiHs verhindern und den Menschen in der Republik Srpska eine eindeutig attraktivere europäische Perspektive anbieten.
¬ï Rote Karte an Belgrad! Erweiterungskommissar Oli Rehn hat im Zusammenhang mit seinen Fortschrittsberichten die falschen Signale gesetzt. Anstatt von Serbien das Ende des Wahl-Boykotts der Serben im Kosovo zu fordern und die Nichtakzeptanz einer kontrollierten Unabhängigkeit Kosovos zu kritisieren, hat er Serbien ein Stabilisierungs- und Assoziationsabkommen angeboten.
¬ï Doppelte Standards der EU beenden! Die Glaubwürdigkeit der EU ist im Balkan nicht mehr gegeben. Die Länder/Regionen werden unterschiedlich behandelt. Es kann nur ein Prinzip geben: die Erfüllung der Kopenhagener Kriterien und die Auslieferung der Kriegsverbrecher. Das muss sowohl für SAA gelten als auch für einen Beitritt.
¬ï Konferenz aller Balkanländer! Zur Entwicklung einer kohärenten Gesamtstrategie für den westlichen Balkan unter Einbeziehung aller Regionen und Staaten jenseits aller situationsbedingten Politik ist eine EU-geführte Balkan-Konferenz unerlässlich.

Weitere Maßnahmen:

¬ï Eine Aussöhnung oder Versöhnung zwischen den Ethnien wird noch Generationen dauern. Gerade beim Besuch in Foca ist deutlich geworden, dass eine Aufarbeitung in der Republik Srpska nicht erfolgt. Die vor kurzem eingelegte Klage der Mütter von Srebrenica gegen das Versagen der VN verdient volle Unterstützung.
¬ï Der Versuch von NROs und Stiftungen, Jugendliche der unterschiedlichen Ethnien zusammen zu bringen, muss aktiv und finanziell unterstützt werden. Anzustreben sind Partnerschaften von Universitäten mit jenen in Europa, Schüleraustausch uvm. Gerade Europaschulen können hierbei eine aktive Rolle übernehmen. Auch Städtepartnerschaften sollten als Instrument der Annäherung genutzt werden.
¬ï Das Nebeneinander von europäischen Institutionen muss beendet werden: Denkbar wäre es, sowohl in der Rep. Srpska als auch in der Föderation ¬ÑEuropäische Häuser¬ì zu errichten, in denen alle europäischen Institutionen unter einem Dach sind. Das wäre nicht nur der Weg zu einer besseren Wahrnehmung sondern reduziert auch das unkoordinierte Nebeneinander.
¬ï EU Programm zur Vernichtung überzähliger Waffen: Derzeit werden Datenbanken über den Bestand von Waffen in BiH erstellt. Klar ist schon heute, dass in diesem kleinen Land viel zu viele Waffen gelagert werden. Brisant nicht nur wegen ihres zum teil hohen Alters, sondern auch der allen Sicherheitsstandards widersprechenden Lagerung. Die EU sollte im Rahmen des Stabilitätsprogramms das Monitoring und die Beseitigung überschüssiger Waffen finanzieren.

 

© 2004 - Angelika Beer, MdEP.
Dieser Text ist Teil des Internetauftritts von Angelika Beer, MdEP.
www.angelika-beer.de

 

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