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Angelika Beer
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Afghanistan: Gr¸nen-Politikerin fordert Debatte ¸ber Gesamtkonzept

07.02.2008

Beer: Milit”risches Potential in Afghanistan wird nicht genutzt

Nach Ansicht der Gr¸nen-Europaparlamentarierin Angelika Beer fehlt f¸r den Milit”reinsatz in Afghanistan ein Gesamtkonzept. Die aktuelle Debatte der europ”ischen Verteidigungsminister f¸hre an den Kernproblemen des Einsatzes vorbei, sagte Beer. Die Befehls- und Kommandostruktur m¸sse ver”ndert werden. Mit den Battle Groups und dem Eurocorps seien an sich gen¸gend Soldaten vorhanden. Diese w¸rden jedoch nicht angefordert.

J–rg Degenhardt: Wenn Freunde in Not geraten, dann muss man helfen, das sieht auch der deutsche Verteidigungsminister so, dann darf die Bundeswehr sogar im S¸den Afghanistans aktiv werden und den NATO-Partnern unter die Arme greifen, dort also, wo es wirklich brennt. Aber wie gesagt, nur im Notfall und nur im Rahmen des geltenden Bundestagsmandats. Ansonsten gehen die Deutschen mit 200 Soldaten in den eher ruhigen Norden des Landes haben wir gestern geh–rt, als sogenannte schnelle Eingreiftruppe. Vorher waren da die Norweger mit 250 Mann, die gehen zur¸ck in die Heimat.

Angelika Beer ist jetzt meine Gespr”chspartnerin. Sie sitzt f¸r die Gr¸nen im Europaparlament und ist dort Mitglied im Ausschuss f¸r ausw”rtige Angelegenheiten und im Ausschuss f¸r Sicherheit und Verteidigung, auþerdem ist Sie Mitglied in der Delegation f¸r Beziehungen zu Afghanistan, guten Morgen, Frau Beer.

Angelika Beer: Sch–nen guten Morgen, Herr Degenhardt.

Degenhardt: Deutschland ist verglichen mit Norwegen und bezogen auf die Bev–lkerungszahl nat¸rlich ein groþes Land. Muss da nicht mehr kommen als diese zus”tzlichen 200 Soldaten f¸r den Norden?

Beer: Also, ob nun 200 oder 400, das interessiert in erster Linie im Bundestag, weil das Mandat, das verabschiedet worden ist, nicht verletzt werden darf. Ich halte aber die Debatte, wie sie im Moment gef¸hrt wird, sowohl seitens Minister Jung, aber auch seitens der anderen Verteidigungsminister f¸r eine Scheindebatte, weil sie an zwei Kernproblemen, die wir insgesamt in Afghanistan haben, vorbeigehen. Das eine ist die Befehls- und Kommandostruktur beider Eins”tze und das Zweite ist ein fehlende Gesamtstrategie f¸r die Stabilisierung Afghanistans und so lange man sich weigert, diese Kernprobleme zu diskutieren, halte ich das Ganze f¸r Scheingefechte.

Degenhardt: Was st–rt Sie an der Befehls- und Kommandostruktur?

Beer: Also im Kosovo, wo ich Moment gerade bin und auch bei allen anderen Eins”tzen, wo wir uns als Deutsche beteiligen, ist es so, dass die milit”rische Kommandostruktur rotiert, das heiþt also, manchmal sind die Deutschen die Lead Nation, manchmal Frankreich, die Amerikaner und wer auch immer sich beteiligt seitens der NATO.

Das ist in Afghanistan erstmals auf Grund des Druckes der Amerikaner anders, es gibt die Federf¸hrung beider Eins”tze, also Enduring Freedom und ISAF unter amerikanischer F¸hrung und die Amerikaner weigern sich, daran etwas zu ”ndern, sprich, wir haben eigentlich gen¸gend Soldaten, die im Zweifel tats”chlich in der Lage sind, einen Einsatz zu f¸hren, egal ob im Norden oder im S¸den Afghanistans. Ich nenne mal die Battle Groups, das sind die europ”ischen schnellen Eingreifverb”nde oder das Eurocorps, dass der NATO unterstellt ist, nur diese werden nicht angefordert, was diese ¸brigens selber nicht verstehen, weil die Amerikaner sagen, Nein, die wollen wir nicht haben, weil dann m¸ssten wir ja die Kommandostruktur ”ndern und denen auch ein Mitspracherecht geben.

Und deswegen ist im Grunde das Potential an Kr”ften, was wir milit”risch haben ¸ber den zivilen Bereich, den klammere ich im Moment kurz aus, wird es nicht genutzt und deswegen ist diese Debatte ein St¸ck weit verlogen, auch seitens des deutschen Verteidigungsministers, denn wir machen einen Kampfeinsatz im Norden Afghanistans, der aber eine Mischung ist aus Kampfeinsatz, Schutz und Hilfe f¸r die Menschen und f¸r den Wiederaufbau. Und dieses Konzept m¸ssen wir innerhalb der NATO durchsetzen. Darum m¸sste er streiten. Das tut er leider nicht.

Degenhardt: Ich m–chte beim milit”rischen Aspekt der Mission in Afghanistan bleiben und noch mal zur¸ckkommen auf meine erste Frage, sie ein wenig anders formulieren, Frau Beer: Aus Ihrer Sicht, sind denn die Risiken und ich bleibe beim ISAF-Einsatz, unter den NATO-Partnern wirklich gerecht verteilt, so wie es jetzt ausschaut?

Beer: Zu dieser Kommandostruktur geh–rt die Aufteilung in bestimmte Gebiete, dass man "Lead Nation" ist in einem bestimmten Abschnitt Afghanistans. Ich glaube, dass das alles auf den Pr¸fstand geh–rt, um auch ein koh”rentes anderes Konzept umzusetzen, im Interesse Afghanistans. Ich meine, wir wissen, dass die Taliban erstarkt sind, wir wissen, dass der Drogenanbau dieses Jahr wahrscheinlich noch h–her sein wird als im letzten Jahr und da ist das, was die Europ”ische Union zum Beispiel auch mit deutscher Unterst¸tzung sonst macht - wir haben ein Drogenbek”mpfungskonzept - mit Iran in Absprache mit Kabul, das alles ist im Grund f¸r die Katz, solange man nicht wirklich diese Probleme aufgreift.

Und dann geht es dann nicht mehr nur um die Frage, welche Strategie milit”risch f¸r Afghanistan, sondern es ist ein Grundsatzkonflikt f¸r die zuk¸nftige strategische Ausrichtung der NATO, der wird jetzt in Bukarest wahrscheinlich noch vor der T¸r gelassen, das ist der NATO-Gipfel, aber beim n”chsten NATO-Gipfel im Fr¸hjahr 2009 in Berlin, muss diese strategische Differenz auf den Tisch, sonst wird die NATO langfristig nirgends handlungsf”hig sein, beziehungsweise, wir, als Truppensteller innerhalb der NATO werden uns dann nur noch dem Diktat der Amerikaner beugen und das kann es nicht sein.

Degenhardt: Sie haben eingangs gesagt, Frau Beer, es fehle f¸r Afghanistan ein Gesamtkonzept. Ja, wo soll es denn herkommen?

Beer: Es k–nnte, wenn man, ”hnlich wie wir es hier erzielt haben, Entschuldigung, wenn ich jetzt noch mal den Kosovo als Vergleich bringe, aber hier ist eigentlich das erfolgt, was in Afghanistan langfristig erfolgen muss. Man hat alle regionalen Begrenzungen f¸r die nationalen Truppenstelle aufgehoben. Man hat neue Befehlsstrukturen gemacht, nicht nur im milit”rischen Bereich, sondern auch f¸r alle zivilen Maþnahmen. Das heiþt, dort sitzen Zivilisten, die aber genauso gegliedert sind, und das hat zur Folge, dass die milit”rischen, die zivilen, die polizeilichen Spitzen zusammenkommen, im regelm”þigen Austausch sind und einen anderen Informationsfluss haben.

Diese Informationen fehlen im Einsatz den nationalen Kontingenten, [unverst”ndlich] sind darauf angewiesen, welche sie bekommen und das ist nat¸rlich fahrl”ssig, weil die Taliban dann versuchen, gezielt schwache, vermeintlich schwache Stellen auszusuchen, was zur Folge haben wird, dass auch der Norden noch unsicherer werden wird als jetzt.

Noch mal: Wir haben bereits einen Kampfeinsatz! Alles andere ist Lyrik, was da betrieben wird und deswegen ist es auch notwendig, dass die Norweger, die jetzt zur¸ckziehen, ersetzt werden. Nur es h”tten eigentlich nicht konsequent nur Deutsche sein m¸ssen, man h”tte eben auch Battle Group nehmen k–nnen oder das Eurocorps, nur das haben die Amerikaner verhindert, weil sie sich weigern, anderen das Mitspracherecht zu erteilen.

Deutschlandradio

 

© 2004 - Angelika Beer, MdEP.
Dieser Text ist Teil des Internetauftritts von Angelika Beer, MdEP.
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