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Angelika Beer
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Warum die Linke f¸r die Europ”ische Verfassung k”mpfen muss

13.05.2005

VON DEN MITGLIEDERN DES EUROP”ISCHEN PARLAMENTS

Angelika Beer (Gr¸ne), Sylvia-Yvonne Kaufmann (PDS) und Jo Leinen (SPD)

Europa entscheidet. Ein Jahr nach der EU-Erweiterung steht die EU-Verfassung vor ihrer Ratifizierung. Am 12. Mai hat der Bundestag entschieden, am 27. folgt der Bundesrat. In Frankreich steht das Verfassungsreferendum am 29. Mai auf der Kippe und damit das Versprechen, nach der Erweiterung auch die Vertiefung der EU durchzuf¸hren.

Eine st”rkere EU ist die einzig vern¸nftige Antwort auf die zunehmende Globalisierung. Die Nationalstaaten sind l”ngst zu klein geworden, um den dr”ngenden Herausforderungen in der Welt zu begegnen. Der Vertrag von Nizza war eine vertane Chance. Er macht die erweiterte Union nicht zukunftsf”hig. Deshalb darf die Verfassung nicht scheitern.

Vor diesem Hintergrund ist nicht nachvollziehbar, dass ausgerechnet diejenigen, die groþe Erwartungen an Europa verk¸nden, sich einer demokratischeren und handlungsf”higen EU verweigern sowie ein Auseinanderfallen der Union provozieren. Europagegner und Nationalisten w”rmen sich daran die H”nde. Ein Scheitern der Verfassung w¸rde Europa nachhaltig schw”chen und die Union ihrer sozialpolitischen und friedenspolitischen Handlungsf”higkeit berauben.

Ein geeintes Europa wird niemals zustande kommen, wenn jede politische Richtung ihre eigenen Vorstellungen zum alleinigen Maþ aller Dinge erhebt. Diese Verfassung ist weder sozialistisch, noch gr¸n oder sozialdemokratisch. Sie ist auch nicht liberal oder konservativ. Es ist gerade der Charakter einer Verfassung, dass sie kein bestimmtes politisches Europa festschreibt, sondern einen Rahmen schafft, der allen politischen Kr”ften Handlungsspielr”ume zur Verwirklichung ihrer Ziele er–ffnet.

Ein Nein zur Verfassung w”re auch ein Nein zu einer Neuausrichtung europ”ischer Wirtschafts- und Sozialpolitik. Erstmals bekennt sich die EU mit dieser Verfassung zur sozialen Marktwirtschaft und verabschiedet sich damit von ihrer reinen Marktfixierung. Das ist ein zentraler Fortschritt und eine v–llig neue Berufungsgrundlage f¸r die zuk¸nftige soziale Ausgestaltung der EU.

Wer ªNein´ zu dieser Verfassung sagt, sagt ªNein´ zum Beitritt der EU zur Europ”ischen Menschenrechtskonvention, verzichtet auf die Rechtsverbindlichkeit der ªCharta der Grundrechte´ und beraubt sich selbst einer guten Grundlage f¸r die Wahrung und Durchsetzung der unver”uþerlichen Menschenrechte, der individuellen B¸rgerinnen- und B¸rgerrechte und einer emanzipatorischen Politik. Im Ðbrigen besteht ein groþer Erfolg der Linken darin, dass die Charta als erstes europ”isches Dokument von der Unteilbarkeit der Grund- und Menschenrechte ausgeht, indem sie nicht nur b¸rgerliche Freiheitsrechte, sondern gleichzeitig auch soziale Rechte enth”lt.

Schwerwiegend w”re der auþenpolitische Schaden: Ein Scheitern der Verfassung w¸rde insbesondere die europ”ische Zerrissenheit gegen¸ber dem v–lkerrechtswidrigen US- Pr”ventivschlag gegen den Irak noch nachtr”glich ein zweites Mal zementieren. Der Graben zwischen dem alten und dem neuen Europa w¸rde mit einem drohenden Kerneuropa neu aufgerissen und vertieft.

Unser gemeinsames Ziel, an die Stelle des Rechts des St”rkeren die St”rke des Rechts zu setzen, braucht einen starken F¸rsprecher. Daf¸r haben vor und w”hrend des Irakkrieges der USA Millionen Menschen europaweit demonstriert. Diese Verfassung stellt die Weichen daf¸r. Mit ihr erhebt die EU die F–rderung des Friedens zum obersten Gebot. Sie macht sich einen erweiterten Sicherheitsbegriff zu Eigen, bindet sich eindeutig an das V–lkerrecht und die UN- Charta und gibt Europa mit dem Europ”ischen Auþenminister EINE auþenpolitische Stimme.

Zweifellos gibt es berechtigte Kritik, wie die st”rkere Ausf¸hrung zu milit”rischen Aspekten, die Verankerung einer Verteidigungsagentur im Vertragstext, die Verpflichtung zur Verbesserung milit”rischer F”higkeiten oder der Verzicht auf eigene Abr¸stungsinitiativen. Aber gerade vor diesem Hintergrund ist die Art und Weise, wie Teile der Linken, insbesondere einige Aktivisten der Friedens- und Anti-Globalisierungsbewegung, gegen diese Verfassung polemisieren, kontraproduktiv. Die Auseinandersetzung um die Verfassung darf nicht auf Falschinformationen basieren.

Der Vorwurf, mit der Verfassung w¸rden Angriffskriege legitimiert, ist ebenso absurd wie falsch: Die Verfassung verbietet jeden Angriffs- und Pr”ventivkrieg. Unhaltbar ist die Behauptung, die Verfassung legitimiere ªAbr¸stungskriege´. Ein EU-gef¸hrter Pr”ventivschlag wie der Irakkrieg der USA w”re nicht nur v–lkerrechtswidrig, sondern dar¸ber hinaus auch ein Verfassungsbruch.

Die Behauptung, der im Grundgesetz festgeschriebene Parlamentsvorbehalt f¸r Auslandseins”tze w¸rde in der EU-Verfassung abgeschafft, ist schlicht eine L¸ge. Wenn die Bundesregierung deutsche Truppen an einem Auslandseinsatz der Union beteiligen will, muss weiterhin der Bundestag zustimmen.

Tatsache ist, dass die Entwicklung milit”rischer F”higkeiten der EU weitergeht, und zwar auch ohne Verfassung. Ohne Verfassung w”ren aber die m–glichen negativen Konsequenzen weit gr–þer, und das in dreifacher Hinsicht: Erstens k–nnten sich die milit”risch starken Mitgliedsstaaten von der EU abkoppeln und ein milit”risches Kerneuropa bilden. Zweitens w¸rde dieses milit”rische Kerneuropa dann nicht auf das in der Verfassung ausdr¸cklich verankerte Friedensgebot verpflichtet sein. Drittens w¸rden das Amt eines EU- Auþenministers, der Europ”ische Diplomatische Dienst, die Verpflichtung der EU zur Kooperation mit der OSZE, die positiven Vertrags”nderungen im Bereich der Entwicklungshilfe oder die neue Bestimmung ¸ber die Schaffung eines Europ”ischen Freiwilligenkorps im Rahmen der humanit”ren Hilfe entfallen. Das sind gerade jene Regelungen, die die zivilen Institutionen der EU st”rken sollen. Zudem w¸rde die erstmalig gleichberechtigte Nennung von zivilen und milit”rischen Mitteln als entscheidende Berufungsgrundlage f¸r die zuk¸nftige zivile Ausgestaltung der Europ”ischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik wegfallen.

In Teilen der Linken wird deshalb eine Gespensterdebatte gef¸hrt, die den Blick auf die neuen politischen Spielr”ume verdeckt. Entscheidend ist nicht, was alles in der Diskussion an Verd”chtigungen und Verf”lschungen eingebracht wird. Entscheidend ist, was in der Verfassung steht und wof¸r wir auf ihrer Grundlage eine Mehrheit gewinnen k–nnen.

Um die EU sozial- und friedenspolitisch zu st”rken, sollte gerade die Linke f¸r diese Verfassung k”mpfen, ihre Spielr”ume nutzen und die Energien b¸ndeln, um in absehbarer Zeit eine erste Revision der EU-Verfassung vorzubereiten. Mit dem Europ”ischen B¸rgerbegehren erhalten die sozialen Bewegungen erstmals einen direkten Hebel, die Europ”ische Union mitzugestalten. Eine Chance, die wir nicht leichtfertig an uns vor¸berziehen lassen sollten!

Freitag - Die Ost-West-Wochenzeitung

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© 2004 - Angelika Beer, MdEP.
Dieser Text ist Teil des Internetauftritts von Angelika Beer, MdEP.
www.angelika-beer.de

 

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