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Angelika Beer
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Beer: Wir brauchen eine koh”rente politische Strategie f¸r Afghanistan

02.03.2007

Moderation: Jochen Spengler

Die Europaabgeordnete Angelika Beer (Gr¸ne) h”lt im Rahmen einer neuen Gesamtstrategie der NATO f¸r Afghanistan ein Engagement der Bundeswehr auch im umk”mpften S¸den des Landes f¸r absehbar und notwendig. Auþerdem seien Reformen im Polizeiwesen, Bildungssystem und ein umfassendes Konzept zur Drogenbek”mpfung dringend notwendig.

Spengler: Die Bundestagsabgeordneten haben vorgestern ¸ber die Entsendung von sechs Bundeswehrtornados diskutiert, die zur Luftaufkl”rung im Kampf gegen die Taliban in Afghanistan eingesetzt werden sollen. Die Entscheidung des Parlaments wird in einer Woche erwartet. Angelika Beer ist die Europaabgeordnete der Gr¸nen. Sie hat sich auf die Verteidigungspolitik spezialisiert und sie ist jetzt bei uns am Telefon. Guten Tag Frau Beer.

Beer: Sch–nen guten Tag Herr Spengler.

Spengler: Mit dieser Entsendung der Tornados, was ja wahrscheinlich ist, dass es vom Parlament best”tigt wird, wird Deutschland st”rker in den Krieg hineingezogen?

Beer: Aus europ”ischer Sicht ist die Frage der Entsendung von Tornados, das heiþt also eine Reduzierung der Aktivit”ten auf die Pr”misse mehr Milit”r, unrelevant, denn es geht darum zu bewerten, ob die Gesamtstrategie ver”ndert wird, korrigiert wird, ¸berpr¸ft wird, wie man in Afghanistan als B¸ndnis, als internationale Gemeinschaft den Frieden sichern kann.

Spengler: Frau Beer ich verspreche Ihnen, dass wir darauf zu sprechen kommen. Ich w¸rde trotzdem gerne von Ihnen wissen ob Sie glauben, dass Deutschland mit den Tornados mehr in den Krieg hineingezogen w¸rde?

Beer: Ja, weil die Bedenkentr”ger - und das sind die Gr¸nen im Deutschen Bundestag - machen sehr deutlich, dass wenn man nur milit”risch aufstockt, das heiþt also Tornados entsendet, die keinen klaren Auftrag haben - jedenfalls ist die Bundesregierung dieser Ansicht -, dort ja sehr unklar. Der Verteidigungsminister Jung hat sich hinreiþen lassen zu sagen, dass die Entsendung der Tornados mehr Schutz f¸r die deutschen Soldaten vor Selbstmordattent”tern bieten w¸rde. Das ist nat¸rlich eine Behauptung, die ¸berhaupt nicht hinl”nglich ist. Wenn wir nur milit”risch agieren und wenn wir die Chance als deutsche EU-Ratspr”sidentschaft und G8-Pr”sidentschaft nicht nutzen, im B¸ndnis Druck auszu¸ben, die Strategie zu ver”ndern, dann kann es durchaus sein, dass durch die Vermischung von ISAF auf der einen Seite, also dem friedenserhaltenden und Wiederaufbaueinsatz, und "Enduring Freedom" auf der anderen Seite im Kampfeinsatz keine Differenzierung mehr erfolgt.

Spengler: Also Sie sagen es muss eine politische Gesamtstrategie her?

Beer: Die fehlt. Das ist eindeutig.

Spengler: Was sollte Bestandteil einer solchen Strategie sein?

Beer: Wir m¸ssen viel mehr investieren, und zwar Geld f¸r die notwendige Reform der Polizei. Insofern ist dieser Beschluss der Verteidigungsminister der EU gestern zu begr¸þen.

Spengler: Sie haben die Verdreifachung der Ausbildungskr”fte beschlossen.

Beer: Genau. Auf der anderen Seite brauchen wir viel mehr Investitionen ins Bildungssystem und vor allen Dingen ein umfassendes Konzept zur Drogenbek”mpfung. Da gibt es gute Beispiele in anderen L”ndern. Es reicht nicht zu sagen, Milit”r kann das nicht verhindern. Das ist richtig. Was wir brauchen ist Geld f¸r die Bauern, um ihnen alternative Anbaum–glichkeiten wirklich zu gew”hren, damit sie ¸berleben k–nnen. Der Vorschlag der Amerikaner, einfach durch chemische Gifteins”tze diese Felder zu vernichten, bietet ja keine Perspektive f¸r das Land. Wir brauchen also einen koh”renten Ansatz in diesem Bereich auch aus Eigeninteresse, weil der Groþteil der Drogen, die in Deutschland und in Europa sind, kommt ¸ber den Weg Kosovo hierher, 80 Prozent. Insofern ist es an der Zeit wirklich zu sagen, wenn wir die Herzen der Menschen nicht verlieren wollen, wenn wir ihnen eine Perspektive geben wollen, dann m¸ssen wir nicht nur die milit”rischen Mittel aufstocken, sondern insbesondere Wiederaufbau, Drogenbek”mpfung und Alternativen dazu f¸r die Menschen.

Spengler: Wer ist "wir"?

Beer: Das sind die Europ”er. Das ist aber insbesondere auch die Frage, ob wir als Deutsche den Mut haben, innerhalb der NATO auch wirklich Klartext mit den Amerikanern zu reden, denn eins ist glaube ich vollkommen klar geworden: Nur mit milit”rischen Kampfeins”tzen werden wir den Frieden in Afghanistan nicht gewinnen. Wir haben dann den Menschen zu erkl”ren, warum wir Friedenschancen, die tats”chlich da sind, nicht gemeinsam schultern.

Spengler: Der erste Schritt w”re also eine solche Gesamtstrategie. Die einzelnen Punkte, die dazu geh–ren, haben Sie genannt. Wenn man die dann hat, kann Deutschland es sich dann leisten, nicht mit Truppen in den S¸den zu gehen, oder muss Deutschland dann ganz Afghanistan auch als sein Feld ansehen?

Beer: Ich bin davon ¸berzeugt, dass man dann keine nationalen Ausnahmen mehr schaffen kann, denn wir brauchen eine koh”rente politische Strategie, wo wir klar sagen welche milit”rischen Mittel brauchen wir zur Unterst¸tzung, um sie umzusetzen. Es gibt ein gutes Beispiel daf¸r, n”mlich im Kosovo. Dort hat es Anfangs sehr viele nationale Vorbehalte gegeben. Die sind inzwischen so gut wie ausgeglichen. Das heiþt, dass man mit einem gemeinsamen politischen Ziel dann auch gemeinsam egal in welcher Situation hilft. Das betrifft nat¸rlich auch jetzt schon die Frage, wenn ein Tornado zum Beispiel in Gefahr ger”t, wer kann eigentlich die Piloten im S¸den retten.

Spengler: Nicht die Deutschen!

Beer: Nat¸rlich sind das die Amerikaner, aber das ist gut. Wichtig ist, dass sie gerettet werden k–nnen und dann ist nicht mehr die Frage wer macht das, sondern nach F”higkeiten und M–glichkeiten wird jede Nation, die im Einsatz ist, verantwortlich sein, den anderen die entsprechende Unterst¸tzung zu geben.

Spengler: Frau Beer, Sie arbeiten in Straþburg, Sie arbeiten in Br¸ssel. Sie wissen was die B¸ndnispartner von uns, ¸ber uns denken. Gibt es bei den B¸ndnispartnern das Gef¸hl, sie m¸ssten in Afghanistan f¸r die Deutschen die Kohlen aus dem Feuer holen?

Beer: Ðberhaupt nicht bei den Politikern, aber ich h–re nat¸rlich die Sorgen der zum Beispiel niederl”ndischen Abgeordneten, deren Soldaten im S¸den Afghanistans die gleiche Wiederaufbauarbeit machen, wie wir sie im Norden machen, und ein gewisses Unverst”ndnis, dass jetzt die Hauptdebatte in Deutschland ¸ber sechs Tornados geht, sondern sie wollen auch, dass wir eine gesamte politische Strategie haben, wo nicht nur das Milit”r solidarisch ist mit den Menschen vor Ort, sondern auch die Politik solidarisch ist und nicht jeweils nur nach den nationalen Interessen guckt, sondern sagt wir haben hier die Riesenaufgabe auch im Interesse der Afghanen selber und nat¸rlich auch der NATO, diese schwierige Situation zu schaffen. Wir haben einen breiten Konsens in Br¸ssel jetzt zu entscheiden, dass wir eine Parlamentarierdelegation einrichten die verantwortlich ist, die Beziehungen zwischen Afghanistan und dem Europaparlament zu vertiefen. Wir kriegen regelm”þig Besuche, wir fahren auch hin. Insofern ist ganz klar, dass eine Exit-Strategie, die manchmal diskutiert wird, in Europa im Moment ¸berhaupt keine Rolle spielt. Wir sind entschieden, mit zivilen Mitteln in erster Linie das Land zu befrieden und dort milit”risch im B¸ndnis zu helfen, ohne Ausnahmen wo es notwendig ist.

Spengler: Das war Angelika Beer, die Europaabgeordnete der Gr¸nen. Frau Beer, herzlichen Dank f¸r das Gespr”ch.

Beer: Ich danke auch.

DRadio

 

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Dieser Text ist Teil des Internetauftritts von Angelika Beer, MdEP.
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