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Angelika Beer
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EU-Kongo-Einsatz ñ Blinder Aktionismus und der Makel, undemokratische Wahlen zu unterst¸tzen

05.04.2006

Wir Europagr¸nen haben uns von Anfang an klar positioniert: Nat¸rlich wollen wir Gr¸nen eine demokratische Entwicklung im Kongo unterst¸tzen. Aber ohne ein politisches Konzept, ohne einen klar strukturierten Auftrag und ohne die Gew”hrleistung tats”chlich demokratisch durchgef¸hrter Wahlen, lehnen wir die symbolische Entsendung von Soldaten nach Kinshasa ab.

Seit dem 4. April ist klar, dass es keinen sicheren Wahltermin im Kongo gibt. Damit ergibt sich aber auch die Chance f¸r einen demokratischeren Ablauf der Wahlen durch die Einbeziehung der gr–þten Oppositionspartei UDPS, die bislang den Wahlprozess boykottiert hat.

Die Wahlen im Kongo k–nnen nur ann”hernd demokratisch sein und eine nationale Einheit erreichen, wenn die Wahlkommission der gr–þten Oppositionspartei UDPS, die in den Meinungsumfragen f¸hrt ist, die Chance zugesteht sich durch eine Nachregistrierung aktiv am Wahlprozess zu beteiligen. Gelingt dies nicht, l”uft die EU auch noch Gefahr, als unfreiwilliger Wahlhelfer von Pr”sident Kabila gesehen zu werden.

Eine milit”rische EU-Pr”senz in Kinshasa w”re im Falle der Durchf¸hrung nicht demokratischer Wahlen dann eine noch gr–þere Farce als der in den letzten Wochen bereits stattgefundene blinde Aktionismus. Denn es ist bereits lange genug mit aberwitzigen Argumenten in unverantwortlicher Art und Weise ¸ber einen EU-Milit”reinsatz debattiert worden, ohne alle Instrumente der europ”ischen Auþen- und Sicherheitspolitik auf ihre Tauglichkeit zu pr¸fen.

Gerade vor diesem Hintergrund sind die EU-Auþenminister als Hauptgeldgeber f¸r den Demokratisierungsprozess im Kongo daf¸r verantwortlich,
ï dass endlich ein realistischer Fahrplan f¸r die Vorbereitung und den Ablauf der Wahlen durchgesetzt wird,
ï dass die Zahl der Wahlbeobachter massiv erh–ht wird
ï und dass ein verst”rkter Einsatz von Polizeikr”ften in Kinshasa gepr¸ft wird.


Europa in der Verantwortung

Europa steht zweifellos in der Verantwortung, wenn es um Demokratisierung und Stabilit”t in Afrika geht. So f¸hrte die EU bereits 2003 nach schweren Gefechten zwischen ethnischen Milizen in der kongolesischen Region Ituri eine ihrer ersten milit”rischen Missionen ñ ARTEMIS - durch. Die franz–sisch gef¸hrte Mission umfasste 1400 Soldaten und hatte zum Ziel die Lage in der Distrikthauptstadt Bunia f¸r eine Ðbergangsphase zu stabilisieren und humanit”re Hilfe zu erleichtern.

Seit 2005 laufen die beiden zivilen EU-Missionen EUPOL Kinshasa und EUSEC Demokratische Republik Kongo, die den Aufbau von Polizei und die Reform des Sicherheitssektors zur Aufgabe haben. Damit unterst¸tzt die EU die UN-Friedensmission MONUC, die mit knapp 17.000 Blauhelmen und j”hrlichen Kosten von 1,3 Mrd. US-Dollar die gr–þte VN-Friedensmission weltweit darstellt.


Soldaten als Spielball f¸r politischen Aktionismus?

Das bisherige Verfahren zum Kongo ist ein einziges Abenteuer: Schon das Zustandekommen der UN-Anfrage war von Konzeptlosigkeit gepr”gt. Im Alleingang ohne vorherige Information des Sicherheitsrates bat der franz–sischen Unter-Generalsekret”r der UN, Jean-Marie Guehenno, die EU, f¸r die Zeit der Wahlen einen europ”ischen Einsatzverband zur Verf¸gung zu stellen. Trotz der unklaren, teils widerspr¸chlichen Anfrage gaben der EU-Auþenbeauftragte Solana und Bundeskanzlerin Merkel fr¸hzeitig positive Signale.

Ein Handkuss von Chirac f¸r Bundeskanzlerin Merkel kann nicht dar¸ber hinwegt”uschen, dass eines der Pfunde der Bundeswehr, eben keine postkolonialen Interessen im Kongo zu verfolgen, durch das Agieren Frankreichs ad absurdum gef¸hrt wird.

Alle nachgereichten Rechtfertigungen f¸r einen Kongo-Einsatz, wie beispielsweise durch Verteidigungsminister Jung, der mit einem Milit”reinsatz Fl¸chtlingsstr–me aus Afrika aufhalten will, greifen ins Leere und sind Ausdruck zynischer Konzeptlosigkeit in Berlin

Selbst wenn der demokratische Charakter der Wahlen halbwegs gesichert w”re, bliebe die Frage: Was sollen ein paar hundert europ”ische Soldaten in Kinshasa zus”tzlich zu der knapp 17.000 Mann starken UN-Friedenstruppe MONUC in einem Land mit den Ausmaþen Westeuropas bewirken? Als Vergleichsmaþstab: IFOR umfasste nach dem Krieg in Bosnien-Herzegowina 60.000 Soldaten, die f¸r Frieden und Stabilit”t in einem Land sorgten, das etwa die Gr–þe von Niedersachsen hat.


Parlamentarische Kontrolle st”rken!

Obwohl das Europaparlament noch keine direkte Mitentscheidung bei Milit”reins”tzen hat, ist es im Fall Kongo gelungen, Plenardebatten und kritische Positionierungen zu erzwingen. Umso mehr kommt es darauf an dass die nationalen Parlamente ihre Kontrollrechte wahrnehmen. Von parlamentarischer Kontrolle kann in Deutschland aber bisher nicht wirklich die Rede sein. Vielmehr ist zu bef¸rchten, dass letztendlich eine groþe Koalition der Abnicker dem Einsatz trotz aller Ungereimtheiten zustimmt.


Wir Europa-Gr¸nen halten es auch aus diesem Grund f¸r verantwortungslos, unter den bestehenden Bedingungen, Soldatinnen und Soldaten in einen v–llig unklar konzipierten Einsatz zu entsenden, dessen Sinn und Zweck gr–þte Zweifel aufkommen l”sst. Oberst Gertz vom Bundeswehrverband ist daher beizupflichten, wenn er davon spricht, dass "die EU-Mission eine reine Show ist, die das Leben der Soldaten nicht wert sei". Bezeichnend ist, mit welcher Flickschusterei danach versucht wurde, einen EU-Einsatzverband f¸r den Kongo zusammenzustellen. Von den vielfach angepriesenen EU-Battle-Groups wird lieber gar nicht erst geredet. Sie gibt es als eigenst”ndige Verb”nde n”mlich noch l”ngst nicht.

"Kalte Krieger" haben endg¸ltig ausgedient

Wenn die Diskussion um einen Bundeswehreinsatz im Kongo nun eine breite partei¸bergreifende Debatte zwischen Sicherheits- und Verteidigungspolitikern und Auþen- und Entwicklungspolitikern ¸ber die Aufgaben der Bundeswehr entfacht, dann h”tte diese Diskussion wenigstens einen Nutzen. Dem Wandel der Bundeswehr von einer Landesverteidigungsarmee hin zu einer interoperablen Einsatzarmee muss endlich Rechnung getragen werden. W”hrend Struck eine klare Aufgabenbeschreibung der Bundeswehr mit seiner Hindukusch-Formulierung vernebelte, weigert sich Bundesverteidigungsminister Jung mit seinen Heimatschutzvorstellungen vollst”ndig, sich den realen Herausforderungen der Bundeswehr zu stellen.

Afrika bleibt eine europ”ische Herausforderung

Grunds”tzlich stellt sich die Frage an die EU: Wenn wir so leidenschaftlich von europ”ischer Verantwortung f¸r Afrika sprechen, wie vereinbar ist dann die Debatte um den Kongo-Einsatz mit der gleichzeitigen Unt”tigkeit beim andauernden V–lkermord in Darfur?

Dieser unbequemen Frage m¸ssen wir uns stellen. Die Europagr¸nen tun dies mit dem Antrag auf eine Dringlichkeitsdebatte im Europaparlament, mit dem wir das Schweigen brechen wollen. Der UN-Sicherheitsrat wird in dem Antrag aufgefordert, ein Mandat nach Kapitel VII der UN Charta zu beschlieþen, um den V–lkermord in Darfur zu beenden.

Angelika Beer, sicherheitspolitische Sprecherin der Gr¸nen im Europ”ischen Parlament

 

© 2004 - Angelika Beer, MdEP.
Dieser Text ist Teil des Internetauftritts von Angelika Beer, MdEP.
www.angelika-beer.de

 

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