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Angelika Beer
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"Der Mauerzaun schafft Enklaven"

03.02.2004

taz: Frau Beer, Sie gehören zu den deutschen Politikern, die gern den palästinensischen Vergleich zwischen dem israelischen Sicherheitszaun und der Berliner Mauer aufgreifen. Kommen dabei nicht die Gründe für den Bau zu kurz?

Angelika Beer: Der Vergleich hinkt. Damals ging es um die Teilung Deutschlands. Heute geht es um einen Mauerzaun, der palästinensische Enklaven schafft. Es ist eine politische Grenze mit fatalen Folgen und eine Absage an die Zweistaatenlösung. Der Mauerzaun nimmt palästinensischen Familien die Lebensgrundlage, weil sie von ihren Olivenhainen, Gärten oder Arbeitsplätzen getrennt werden. Die Menschen haben große Angst, jeder Existenz beraubt zu werden. Das ist eine Auswirkung, die nicht akzeptiert werden kann.

taz: Sie mahnten nach den Anschlägen vom 11. September 2001 Maßnahmen gegen den Terror an. Die unternimmt Israel. Schließt Ihre Mahnung den Nahen Osten aus?

Beer: Ich bezweifle, dass der Mauerzaun, wie er jetzt geplant ist, automatisch zu mehr Schutz für Israel führen wird. Er wird als Angriff auf die Bevölkerung in Palästina gesehen und birgt damit das Risiko, zu einer nicht gewollten Radikalisierung beizutragen. Ich denke, dass gerade auch die Amerikaner in der Verpflichtung stehen, dafür zu sorgen, dass die Verhandlungen jetzt auf der Grundlage der "Roadmap" und der Genfer Initiative aufgenommen werden und der Bau des Mauerzauns jenseits der grünen Linie gestoppt wird.

taz: 15 EU-Staaten haben sich gegen die Anhörung zum Trennzaun vor dem Internationalen Gerichtshof ausgesprochen, darunter die Bundesrepublik.

Beer: Es ist deutlich, dass Den Haag eine juristische Ebene und dieser Zaun eine politische Entscheidung ist. Ich erwarte eine politische Entscheidung. Es reicht nicht, wenn die Amerikaner die Kreditbürgschaften um zehn Prozent kürzen, um den Mauerzaun nicht direkt zu finanzieren. Das ist kein politisches Verhalten, sondern der Versuch, so zu tun, als könne dieser Konflikt auf der jetzigen Eskalationsebene eingefroren werden. Tatsächlich rückt aber mit jedem Selbstmordanschlag und mit jedem weiteren Meter Mauer eine friedliche, eine politische Lösung weiter in die Ferne. Das müssen die USA zur Kenntnis nehmen.

taz: Nur die USA? Letzte Woche konnten wir den Gefangenenaustausch zwischen Israel und der Hisbullah beobachten, den die BRD vermittelte und nicht die USA. Warum beharren Europa und Deutschland so auf ihre Nebenrolle im Nahostkonflikt?

Beer: Ich glaube, dass wir nicht viel Spielraum haben. Was ich überzeugend finde, sind die zivilgesellschaftlichen Ansätze wie die Genfer Initiative oder auch die Unterstützung der Piloten, die öffentlich den Einsatz verweigern, wenn es um den gezielten Beschuss ziviler Anlagen auf palästinensischem Gebiet geht. Es ist unsere Aufgabe, gerade diese Minderheiten zu unterstützen.
taz: Könnte Europa gleichzeitig mehr Druck auf die israelische Regierung ausüben?
Beer: Problematisch ist, dass jede sachliche Kritik an der israelischen Regierung als antisemitisch interpretiert wird. Europa ist damit in einer sehr schwierigen Position, um Veränderungen zu beeinflussen.

taz: In welche Richtung werden Sie drängen, wenn Sie ins Europaparlament einziehen?

Beer: Es ist schwierig - aber wir sollten den Mut haben, das Existenzrecht Israels zu verteidigen und zugleich politische Fehlentscheidungen der Regierung zu kritisieren. Vielleicht kann es gerade uns, mit unserer historischen Verantwortung, gelingen, zwischen palästinensischem und israelischem Volk zu vermitteln. Der pauschale Vorwurf gegen alle Kritiker, es handele sich um einen neuen Antisemitismus, ist klar zurückzuweisen.

taz: Es gab die Forderung der EU, Produkte aus den jüdischen Siedlungen zu kennzeichnen, was nun auch geschieht. Sehen Sie noch andere Möglichkeiten?

Beer: Ich glaube, dass durch eine stärkere Sanktionierung der Einfluss Europas nicht gestärkt, sondern die Konfrontation verhärtet würde. Ich setze auf offenen Dialog. Es gab gerade auch in den letzten Tagen innerhalb der israelischen Regierung sehr unterschiedliche Vorstellungen zu den Siedlungen und der Räumung nicht nur illegaler Siedlungen. Das ist eine neue Bewegung, die deutlich macht, dass die Kritik aus dem Ausland gehört wird.

Das Interview führte Susanne Knaul. Es erschien am 3. 2. 2004 in der taz.

 

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Dieser Text ist Teil des Internetauftritts von Angelika Beer, MdEP.
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