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Angelika Beer
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Offener Brief von Akbar Ganji

18.09.2007

Seine Exzellenz Ban Ki-Moon,
sehr geehrter Herr Generalsekretär
der Vereinten Nationen!

Die Menschen im Iran befinden sich im Hinblick auf die 癸internationale Lage科 und die 癸Lage im Land科 in einer besonderen Situation. Was die internationale Situation anbelangt, sind die Menschen der Gefahr des militärischen Angriffs der USA und der weitgehenden Sanktionen des UN-Sicherheitsrates ausgesetzt. Im Lande selbst hält sie ein despotischer Staat durch eine organisierte, ausgedehnte und anhaltende Repression in einer Situation zwischen Leben und Tod im Gefängnis.

Die Vereinigten Staaten von Amerika haben in den letzten 50 Jahren die Entwicklung der Demokratie im Iran nicht nur nicht unterstützt, sondern ihre Politik und ihr Tun waren in all den Jahren zum Schaden der für Freiheit und Demokratie eintretenden Kräfte im Iran. Der Putsch gegen die die nationalen Interessen des Landes vertretende Regierung Mossadeghs und die vorbehaltlose Unterstützung des despotischen Schah-Regimes als Gendarm der USA im Persischen Golf sind lediglich zwei Beispiele dieser falschen Politik. Die Konfrontation zwischen der amerikanischen und iranischen Regierung in den letzten drei Dekaden hat die Situation der für Freiheit und Menschrechte eintretenden Kräfte im Iran sehr erschwert. Das iranische Regime hat in dieser Situation unter dem Vorwand der durch die Maßnahmen der US-Administration drohenden Gefahr militärisch-nachrichtendienstliche Kräfte an die Macht gebracht, sämtliche unabhängigen Medien des Landes verboten und unterdrückt gegenwärtig die Menschenrechtsaktivisten als Agenten des Feindes. Die amerikanische Regierung hat für die FÖrderung der Demokratie im Iran ein Budget verabschiedet, welches in Wirklichkeit für die Ausgaben der offiziellen, der amerikanischen Administration angegliederten Institutionen und Medien verwendet wurde. Dies hat der iranischen Regierung die MÖglichkeit geboten, ihre Gegner als SÖldlinge Amerikas zu bezeichnen und sie bedenkenlos zu unterdrücken. Indes breitet selbst das bloße Sprechen von der 癸MÖglichkeit科 eines militärischen Angriffs auf den Iran den für Freiheit und Menschrechte eintretenden Menschen und Kräften Probleme und Unannehmlichkeiten. Kein Iraner mÖchte, dass es im Iran zu ähnlichen Verhältnissen kommt wie in Afghanistan oder im Irak. Ferner verfolgen die demokratischen Kräfte im Iran mit tiefer Sorge die Unterstützung einiger amerikanischer Kreise für separatistische Bestrebungen im Iran. Die Erhaltung der territorialen Integrität Irans ist für sämtliche Menschen, die sich für Demokratie und Menschenrechte im Iran einsetzen, wichtig. Wir wollen für den Iran und für alle Iraner die Demokratie. Wir sind zugleich der Überzeugung, dass ein Zerrfall der Länder des Nahen und Mittleren Ostens die ausgedehnten und lange währenden Konflikte in der Region verschärfen würde. Um den Demokratisierungsprozess im Nahen und Mittleren Osten zu fÖrdern, kÖnnen die USA zur Etablierung eines gerechten Friedens zwischen Arabern und Israelis beitragen und den Weg für die Gründung eines tatsächlich unabhängigen palästinensischen Staates - neben einem unabhängigen israelischen Staat - ebnen. Eine gerechte LÖsung des arabisch-israelischen Konflikts und die Gründung eines unabhängigen palästinensischen Staates würden dem Fundamentalismus und dem Terrorismus im Nahen und Mittleren Osten den schwersten Schlag versetzen.

Sehr geehrter Herr Generalsekretär!

Die gefährliche internationale Situation des Iran und die Auseinandersetzung zwischen dem Iran und dem Westen haben die WeltÖffentlichkeit und insbesondere die Vereinten Nationen von den unerträglichen Verhältnissen, welche das iranische Regime für die Menschen im Iran geschaffen hat, gänzlich abgelenkt. Die Auseinandersetzung um die Aussetzung der Urananreicherung darf nicht dazu führen, dass folgender Punkt in Vergessenheit gerät. Die Revolution im Iran im Jahre 1979 war zwar eine Volksrevolution, hat jedoch keineswegs zur Formierung einer demokratischen und den Menschenrechten verpflichteten Ordnung geführt. Die Islamische Republik ist ein fundamentalistisch-theokratischer Staat, der die Privatsphäre nicht respektiert, die Zivilgesellschaft unterdrückt und die Menschenrechte verletzt. Tausende von politischen Gefangenen wurden in der ersten Dekade nach der Revolution ohne einen fairen und rechtstaatlichen Prozess hingerichtet und Dutzende von Andersdenkenden und Andersseienden sind in der zweiten Dekade nach der islamischen Revolution ermordet worden. Unabhängige Zeitungen werden ständig verboten und Journalisten inhaftiert. Sämtliche Nachrichten-Websites werden gefiltert. Bücher erhalten entweder keine Druckgenehmigung oder sie werden vor der VerÖffentlichung stark zensiert. Frauen sind im Iran im Vergleich zu Männern eindeutig unterprivilegiert, und wenn sie die rechtliche Gleichstellung fordern, werden sie wegen Betätigung gegen die nationale Sicherheit verschiedenen Formen der Repression unterworfen und zu ungesetzlichen Strafen inklusive Haftstrafen verurteilt. In der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts ist die Steinigung (die schlimmste Folterart; sie endet mit dem Tode) immer noch eine Strafe, die nach dem Gesetz gegen iranische StaatsangehÖrige vollstreckt wird. Einige iranische Lehrer, die für die Besserung ihrer Lebensumstände zivile und friedliche Proteste organisiert hatten, wurden aus dem Dienst entlassen, wobei einige von ihnen in entlegene Gebiete verbannt bzw. ins Gefängnis gesteckt wurden. Die Arbeiter haben im Iran nicht das Recht, vom Staat unabhängige Gewerkschaften zu gründen. Arbeiter, die zur Wahrung ihrer beruflichen Interessen für die Gründung von Gewerkschaften eintreten, werden angegriffen, beschimpft, geschlagen und eingesperrt. Iranische Studenten haben in den letzten Jahren für die Verteidigung der Freiheit und Menschenrechte die grÖßten Opfer gebracht. Die staatlichen Sicherheitsorgane hindern Studienbewerber, welche der offiziellen Regierungspolitik kritisch gegenüberstehen, daran, zum Studium zugelassen zu werden bzw. das Studium aufzunehmen. Studenten, welche die schwere politische und ideologische Sicherheitsüberprüfung bestehen und zum Studium zugelassen werden, dürfen keinerlei - selbst friedliche - kritische Aktivitäten gegen die Regierung entfalten, und falls ihr Engagement den Machthabern nicht gefällt, werden sie vom Studium ausgeschlossen und in vielen Fällen inhaftiert. Die Islamische Republik hat in den letzten etwa 25 Jahren ständig anders denkende Dozenten aus dem Universitätsdienst entlassen und dies dauert nach wie vor an. Unterdessen werden Oppositionelle in den Gefängnissen der Islamischen Republik gezwungen, nicht begangene Straftaten zuzugeben und ein Reuebekenntnis abzulegen. Die unter Gewaltanwendung erzielten unwahren Geständnisse werden dann mit stalinistischen Methoden in den Massenmedien zur Schau gestellt. Im Iran gibt es keine fairen und auf politischem Wettbewerb basierenden Wahlen. Stattdessen werden von oben gelenkte und durch viele Fälschungen manipulierte Wahlen abgehalten. Selbst diejenigen, die auf diese von oben gelenkte Art und Weise ins Parlament und in die Exekutive einziehen, haben keine Befugnis und MÖglichkeit, irgendwelche Veränderungen herbeizuführen. Sämtliche gesetzlichen und übergesetzlichen Befugnisse befinden sich in der Hand des Revolutionsführers, der wie ein despotischer Sultan herrscht.

Sehr geehrter Herr Generaksekretär!

Sind Sie darüber informiert, dass im Iran Kritiker, Andersdenkende und Andersseiende gemäß dem Gesetz 癸kein Recht auf Leben科 haben? Gemäß Artikel 226 sowie gemäß Artikel 295 Absatz C Anmerkung 2 des Islamischen Gesetzbuchs hat jede Person das Recht, jemanden, von dem sie annimmt, er habe das Recht auf Leben verwirk, zu tÖten. In den letzten Jahren sind viele Andersdenkende und Andersseiende auf der Grundlage dieses Artikels getÖtet worden, und die Täter wurden vor Gericht freigesprochen. Unter diesen Umständen hat kein Andersdenkender und Andersseiender im Iran ein Recht auf Leben. Denn nach islamischer Rechtsprechung und nach den Gesetzen der Islamischen Republik ist der Begriff 癸diejenigen, die das Recht auf Leben verwirkt haben科 (mahduroddam) sehr weit gefasst.

Sind Sie darüber informiert, dass im Iran Autoren und Schriftsteller ein gesetzlich verordnetes Schreibverbot erhalten? Gemäß Artikel 9 Absatz 2 Anmerkung 8 des Pressegesetzes wird Autoren, die wegen 癸Propaganda gegen die bestehende Ordnung科 verurteilt werden, 癸das Recht auf jedwede Pressetätigkeit科 lebenslang entzogen. In den letzten Jahren sind viele Autoren und Journalisten von den Gerichten wegen Propaganda gegen die bestehende Ordnung verurteilt worden. Die Gerichtsurteile zeugen davon, dass jegliche Kritik an den staatlichen Institutionen als Propaganda gegen die bestehende Ordnung angesehen wird.

Sehr geehrter Herr Generalsekretär!

Die iranische BevÖlkerung und die für Freiheit eintretenden Kräfte im Iran machen eine schwere Zeit durch. Sie brauchen die geistig-moralische Unterstützung der freiheitsliebenden Kräfte der Welt sowie die wirksame Intervention der Vereinten Nationen. Wir lehnen einen militärischen Angriff auf den Iran aus jedem Grund und unter jeglichem Vorwand ab. Gleichzeitig fordern wir alle Intellektuellen und sämtliche freiheitsliebenden Kräfte in der ganzen Welt auf und erwarten von ihnen, das menschenrechtsverletzende Regime im Iran moralisch zu verurteilen. Seine Exzellenz, wir erwarten insbesondre von Ihnen als Generalsekretär der Vereinten Nationen, bei der Erfüllung Ihrer gesetzlichen Pflichten die iranische Regierung wegen der Verletzung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und weiterer die Menschenrechte betreffender internationaler Verpflichtungen zu rügen. Insbesondere hoffen wir, dass durch eine rasche Intervention Seiner Exzellenz alle politischen und ideologischen Gefangenen im Iran, die sich in einer zunehmend schwierigen und erschreckenden Situation befinden, freigelassen werden. Die Menschen im Iran fragen sich, ob der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen lediglich hinsichtlich der Aussetzung der Urananreicherung entschlossen und effektiv handelt, während das Leben der Menschen im Iran, deren Grundrechte täglich zunehmend verletzt werden, seitens des Sicherheitsrates nicht als wichtig erachtet wird. Freiheit, Demokratie und Menschenrechte sind selbstverständliche Rechte der iranischen Nation. Wir Iraner hoffen, dass die Vereinten Nationen sowie sämtliche Menschen und Institutionen, welche die Demokratie und die Menschenrechte verteidigen, ihre Unterstützung der Bewegung der iranischen Nation für Freiheit und Demokratie nicht vorenthalten.

Mit dem Ausdruck meiner vorzüglichen Hochachtung


Akbar Ganji

 

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Dieser Text ist Teil des Internetauftritts von Angelika Beer, MdEP.
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