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Angelika Beer
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Festung Europa ñ Gr¸ne debattieren Europ”ische Migrations- und Fl¸chtlingspolitik

27.10.2006

Das Thema europ”ische Immigrations- und Fl¸chtlingspolitik stand in den vergangenen Wochen weit oben auf der gr¸nen Agenda. Angesichts des in diesem Sommer weiter dramatisch angewachsenen Fl¸chtlingsstroms ¸ber das Mittelmeer und der humanit”ren Krise an der EU-Auþengrenze ist die Gr¸nen-Fraktion zu diesem Thema auf den Kanarischen Inseln in Klausur gegangen. In diesem Rahmen konnte Angelika Beer am 19. Oktober zusammen mit zehn weiteren gr¸nen Abgeordneten eines der Auffanglager f¸r Fl¸chtlinge auf den Inseln besuchen. Bereits am 4. Oktober erhielt Angelika Beer vom Rat der EU eine Antwort auf ihre schriftlichen Anfragen zur europ”ischen Grenzschutzagentur FRONTEX. Am 24. Oktober war schlieþlich der f¸r Einwanderungs- und Asylpolitik zust”ndige EU-Kommissar Franco Frattini w”hrend der Plenarsitzungswoche in Straþburg zu Gast in der Gr¸nen-Fraktion.

FRONTEX ñ unkontrollierte Abschottungspolitik

Die 2004 gegr¸ndete Europ”ische Agentur f¸r die operative Zusammenarbeit an den Auþengrenzen (kurz FRONTEX) spielt eine zentrale Rolle bei der Abwehr von Fl¸chtlingen an den EU-Auþengrenzen. Sie soll besonders die Mittelmeeranrainer unterst¸tzen, die in der Vergangenheit allein mit Tausenden von Bootsfl¸chtlingen aus Afrika fertig werden mussten. Seit ihrer Gr¸ndung hat FRONTEX zahlreiche Aktionen zur Grenz¸berwachung, aber auch zur Abschiebung von Fl¸chtlingen gemeinsam mit Polizeibeh–rden von Mitgliedstaaten durchgef¸hrt.

Obwohl die s¸dlichen Mitgliedstaaten nicht mit dem Problem allein gelassen werden d¸rfen, ist zweifelhaft, ob FRONTEX die richtige Antwort auf die anhaltende Krise ist. Zum einen f¸hrt die Ðberwachung allein nur zu einer weiteren Verst”rkung der "Festung Europa", ohne an der Situation der Fl¸chtlinge und an den Fluchtgr¸nden in ihren Heimatl”ndern etwas zu ”ndern. Zum anderen wirft die bisher ”uþerst intransparente Arbeit der Agentur zahlreiche Fragen und Probleme auf.

 

Wie intransparent die Arbeit der Agentur ist zeigte die Antwort des Rats auf zwei parlamentarische Anfragen von Angelika Beer. In ihrer schriftlichen Anfrage hatte Angelika Beer vom Rat Ausk¸nfte ¸ber die konkrete Ausgestaltung der Zusammenarbeit mit nationalen und internationalen Beh–rden - wie z.B. der Polizeibeh–rde EUROPOL, der Polizeiakademie CEPOL oder dem EU-Lagezentrum SitCen - gefordert und ¸ber Kontrollm–glichkeiten des Parlaments und der ÷ffentlichkeit. Welche und wie viele Personen werden als Verbindungsbeamte entsandt? Welche Befugnisse haben die FRONTEX-Beamten? Welche Daten sammelt die Agentur, und welchen Zugriff hat sie auf Daten anderer Beh–rden und Nachrichtendienste? Wie kann die Arbeit der Agentur, z.B. das geplante Expertennetzwerk zur Terrorpr”vention, kontrolliert werden?

Auf die meisten dieser Fragen gibt der Rat in seiner Antwort vom 4. Oktober nur unpr”zise Antworten oder verschanzt sich hinter Paragraphen. Zur Personalpolitik der Agentur und zu den Details der Vereinbarungen mit anderen Beh–rden k–nne er sich nicht ”uþern, da dies FRONTEX-interne Angelegenheiten seien, heiþt es in der Antwort. Zu erfahren war lediglich, dass an einer Vereinbarung mit EUROPOL gearbeitet wird und es informelle Treffen mit den Leitern anderer Einrichtungen wie der Staatsanwaltschaft Eurojust, SitCen und dem europ”ischen Amt f¸r Betrugsbek”mpfung (OLAF) gab. FRONTEX habe keinen "unmittelbaren Zugang" zu Datenbanken wie SIS, EURODAC oder VIS. Ansonsten verweist die schriftliche Antwort nur auf allgemeine EU-Verordnungen zu Transparenz und Datenschutz.

Es ist besorgniserregend, dass Parlament und ÷ffentlichkeit zwei Jahre nach der Einrichtung dieser Beh–rde immer noch nur sp”rliche Informationen ¸ber ihre Funktionsweise haben. Diese Transparenzl¸cke muss dringend geschlossen werden. Bezeichnend ist auch die Webseite der Agentur, http://www.frontex.europa.eu/, sie enth”lt bislang nur das Logo und die Anschrift der Organisation.

Gr¸nen-Abgeordnete besuchten Fl¸chtlingslager auf den Kanaren

Bei der "Fact finding mission" der Gr¸nen-Abgeordneten am 19. Oktober in einem kanarischen Fl¸chtlingslager war positiv zu vermerken, dass die Beh–rden bei der Behandlung von Fl¸chtlingen Fortschritte gemacht haben und mittlerweile beispielsweise Hilfsorganisationen Zugang zu den Auffanglagern gew”hren.

Dennoch machte der Besuch deutlich, dass die humanit”re Krise an Europas Grenzen anh”lt und die bisherigen Abwehrmaþnahmen die falsche Antwort sind. Das besuchte Fl¸chtlingslager war zwar zum Zeitpunkt des Besuchs fast leer - aber nur in Folge einer kurz zuvor durchgef¸hrten Massenabschiebung von mehreren hundert Menschen. Der Zeitpunkt der Abschiebung kurz vor dem Besuch von Europaabgeordneten macht nat¸rlich hellh–rig. Wie sieht die Situation sonst in dem Lager aus, wenn die spanischen Beh–rden lieber eine Massenabschiebung kurz vor dem Besuch von Europaparlamentariern durchf¸hren, statt zu zeigen, wie sehr sie auf europ”ische Hilfe angewiesen sind.

 

 

 

 

 

 

 

Auch auf den Kanaren versuchen die Beh–rden, den nicht abreiþenden Fl¸chtlingsstrom durch eine FRONTEX-Mission zu stoppen. Doch selbst wenn die Aktion in Zukunft erfolgreicher als bisher den Zustrom von Fl¸chtlingen auf die Kanaren abschw”cht, ist klar, dass dies lediglich die Fluchtrouten verschieben wird: Die Kanaren selbst waren vor allem nach dem Ausbau der Grenzanlagen bei Ceuta und Melilla verst”rkt von Fl¸chtlingsbooten angelaufen worden. Ohne eine koh”rente europ”ische Politik zur Bek”mpfung der Fluchtursachen, d.h. ohne Verbesserungen in der Handels-, Agrar- und Entwicklungspolitik, kann der Ansturm auf Europa nicht gestoppt werden.

Schauprozess gegen Elias Bierdel in Italien

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Am Rande der Klausurtagung traf Angelika Beer auch mit Elias Bierdel von Cap Anamur zusammen, der 2004 37 Afrikaner aus Seenot gerettet hatte und dem zusammen mit dem 1. Offizier und dem L¸becker Kapit”n am 27. November in Italien der Prozess wegen Beihilfe zur illegalen Einreise gemacht werden soll. Hier sollen in einem politischen Prozess humanit”re Helfer als Schleuserbande kriminalisiert werden. Dieser Prozess ist ein Gradmesser daf¸r, wie es um die humanit”ren Grunds”tze in der Europ”ischen Fl¸chtlingspolitik bestellt ist.

Frattini bei der GRÐNEN-Fraktion

Zu diesen Themenkomplexen stand auch Franco Frattini, EU-Kommissar f¸r Justiz, Freiheit und Sicherheit, den Abgeordneten bei seinem Besuch in der Gr¸nen Europafraktion Rede und Antwort. Frattini zeigte Verst”ndnis f¸r die kritischen Fragen der Gr¸nen und betonte, dass sein Ressort die Zusammenh”nge zwischen Fl¸chtlingspolitik und anderen Politikbereichen der EU durchaus sehe und auf einen "ganzheitlichen Ansatz" dr”nge. Auch trete er selbst f¸r einen ausgewogenen Ausbau der europ”ischen Fl¸chtlings- und Einwanderungspolitik ein: Zum einen m¸sse man neben der Abwehr "illegaler Fl¸chtlinge" auch positive Rechte von Asylsuchenden definieren und ihre Integration f–rdern. Zum anderen sei neben der Asylpolitik auch eine gezielte F–rderung der Einwanderung hoch und niedrig qualifizierter Arbeitskr”fte dringend n–tig.

Deutsche Ratspr”sidentschaft in der Verantwortung

Der Kommissar bedauerte, dass die Mitgliedstaaten bisher vor allem an der Zusammenarbeit bei der Abwehr illegaler Migration interessiert sind. Er plant nach eigener Darstellung deshalb, dem Europ”ischen Rat im Dezember 2006 einen neuen umfassenden Plan vorzulegen, der unter anderem auch Mindeststandards f¸r die Behandlung von Fl¸chtlingen enthalten und verschiedene Kategorien von Arbeitskr”ften f¸r eine positive Einwanderungspolitik definieren soll. Die Deutsche Ratspr”sidentschaft steht dann in der Verantwortung, endlich eine koh”rente EU-Fl¸chtlingspolitik auf den Weg zu bringen.

 

© 2004 - Angelika Beer, MdEP.
Dieser Text ist Teil des Internetauftritts von Angelika Beer, MdEP.
www.angelika-beer.de

 

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