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Angelika Beer
MdEP

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Entschieden gegen Rechtsextremismus in Norddeutschland

29.09.2006

Erklärung zum 10-jährigen Bestehen des Club 88 in Neumünster und dem Einzug der NPD in den Schweriner Landtag

Am 30. September will die rechtsextremistische Szene in Norddeutschland das 10-jährige Bestehen des Club 88 in Neumünster feiern. 癸88科 steht für den 8. Buchstaben des Alphabetes und ist das Kürzel für 癸Heil Hitler科. Der Club hat sich in zehn Jahren zu einem zentralen Treff- und Kristallisationspunkt für die Skinhead- und Neonazi-Szene in Schleswig-Holstein und gesamt Norddeutschland entwickelt. Hier wurde der Boden geschaffen, auf dem die NPD heute etwa in Mecklenburg-Vorpommern aufbauen kann.

Der Club 88 in Neumünster ist Ausgangspunkt für eine Entwicklung hin zu 癸national befreiten Zonen科. Anfangs trafen sich die Rechtsradikalen unter sich im 癸Club 88科, dann wurde ein Sportclub 竿 癸Athletik Klub Ultra e.V.科 - gegründet und mittlerweile haben sich auch Gaststätten mit gemischtem Publikum wie die 癸Titanic科 zu regelmäßigen Treffpunkten der Rechten entwickelt. Während die Betreiber des Club 88 aus Angst vor juristischen Schritten zur Schließung des Clubs darauf achten, dass keine Aktionen direkt vor der Haustüre gestartet werden, bietet die Gaststätte Titanic mit ihrer Nähe zu einem eher links orientierten Jugendzentrum und die Lage in einem Gebiet mit hohem Migrantenanteil sozusagen 癸einen idealen Ausgangspunkt科 für die rechten Aktivitäten. Hier kommt es immer wieder zu heftigeren Auseinandersetzungen mit rechten Gewalttätern. Die Nähe der Trainingsräume des Sportclubs Athletik Klub Ultra e.V. zu einer Schule bietet zudem die Möglichkeit für Rekrutierungsversuche der Rechten. Gewaltaktionen und Einschüchterungsversuche gegenüber Menschen anderer Nationalität oder Hautfarbe, Antifaschisten, Andersdenkenden, einerseits und Rekrutierungsversuche andererseits sind der Anfang auf dem Weg hin zu 癸No-Go-Areas科.

Dem Club 88 kommt aber auch eine überregionale Bedeutung zu. Die Eröffnung des Club 88 in Neumünster fiel zusammen mit der Gründung so genannter "freier" oder "autonomer Kameradschaften" Mitte der 90er. Die "freien Kameradschaften" sind lose Zusammenschlüsse von Neonazis ohne eine feste Struktur. Sie ermöglichen eine Vernetzung der verschiedenen rechtsextremistischen Gruppierungen, ohne den Gruppen und Einzelpersonen ihre Selbständigkeit zu nehmen. Über das Internet hinaus spielte dabei auch der Club 88 eine wichtige Rolle als Treffpunkt und Vernetzungsstelle für die rechte Szene in Norddeutschland.

Lange Zeit gingen die Impulse für die Arbeit des Club 88 von Peter Borchert, dem früheren schleswig-holsteinischen NPD-Landesvorsitzenden aus, der mittlerweile wegen illegalen Waffenhandels in 13 Fällen seit 2004 in Haft sitzt. Borcherts Vorsitz in der NPD 2000 kann als Versuch gewertet werden, den Kontakt zwischen den Freien Nationalisten und der NPD auszubauen. Zu einem Zusammenschluss diverser "freier Kameradschaften" mit rechtsextremen Parteien kam es erstmals 1998 durch die Bildung des "Bündnis rechts" in Lübeck. Der Versuch, die zerstrittene rechte Szene zu einen, ist allerdings erst 2004 durch den Eintritt verschiedener freier Nationalisten in die NPD unter dem Motto 癸Eine Volksfront von rechts科 gelungen. Zusammen mit Wahlabsprachen mit anderen Parteien des rechten Rands war die Einbindung der freien Nationalisten eine der zentralen Voraussetzungen für die Wahlerfolge der NPD in Sachsen und in Mecklenburg-Vorpommern.

NPD in Mecklenburg-Vorpommern profitiert von westdeutscher Aufbauarbeit

Wie eng die Kontakte zwischen der Club-88-Szene und der NPD bis nach Mecklenburg-Vorpommern dokumentierte im letzten Jahr ein Panorama-Bericht von einer NPD-Wahlkampfveranstaltung in Steinburg, bei der es zu rechten Gewaltaktionen gegen linke Demonstranten kam. Anwesend war neben mehreren NPD-Kandidaten und zahlreichen altbekannten norddeutschen Rechtsextremisten auch die langjährige Betreiberin des Club 88 Christiane Dolscheid. Unter den Schlägern war auch Mecklenburg-Vorpommerns NPD-Landesvorsitzender Stefan Köster, der gleichzeitig Kreistagsmitglied in Ludwigslust ist und nun in den Landtag gewählt wurde. Er wurde wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer sechsmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt.

Der Kreis Ludwigslust in Mecklenburg-Vorpommern ist ein Paradebeispiel dafür, wie sich eine rechtsextremistische Szene durch massive Aufbauhilfe von westdeutschen Neonazis entwickelt hat. Zentrale Bedeutung kommt dabei Thomas Wulff zu, der Ende der 90er Jahre zusammen mit dem Lüneburger Neonazi Michael Grewe in Amholz ein Anwesen kaufte, um dort ein rechtes Schulungszentrum aufzubauen. Ebenfalls aus dem Westen in den Kreis Ludwigslust gezogen sind zudem Udo Pastörs aus Bad Zwischenahn, Klaus Bärthel aus Hamburg und Stefan Köster aus NRW. Mittlerweile bemühen sich die Rechtsextremisten zunehmend um Akzeptanz in der Gesellschaft und engagieren sich in unverdächtigen Organisationen wie etwa Pastörs in der Bürgerinitiative 癸Braunkohle Nein科 oder Wulff im Kreiselternrat.

Die Entwicklungen in Neumünster und Ludwigslust zeigen, welche Bedeutung Treffpunkten zur Vernetzung der Neonazis zukommt. Sie können der Ausgangpunkt für die Bildung einer starken rechtsextremistischen Szene werden. Vor diesem Hintergrund sind die vermehrten Versuche für Immobilienkäufe durch Rechtsextremisten wie aktuell in Delmenhorst oder aber auch in Hummeldorf bei Eckernförde genau zu beobachten. In Amholz haben die Behörden dem Kauf noch tatenlos zugesehen und sogar beschwichtigt. Erst Jahre nach dem Kauf ist die Landesregierung wach geworden.

Den Kampf gegen den Rechtsextremismus auf eine breite Basis stellen

Nach dem Wahlerfolg der NPD in Mecklenburg-Vorpommern darf die Diskussion nicht auf eine NPD-Verbotsdiskussion abgelenkt werden. Langjährige rechtsextremistische Aktivitäten wie die Vernetzung so genannter freier Kameradschaften und der Rekrutierung von jungen Rechtsradikalen und Neonazis sind der Boden, auf dem die NPD heute aufbauen kann. Der Einzug der NPD in den Schweriner Landtag darf insbesondere nicht darüber hinwegtäuschen, dass Schleswig-Holstein bei der Zahl der rechtsextremistischen Gewalttaten vor Mecklenburg-Vorpommern liegt.

Der Club 88 muss so schnell wie möglich geschlossen werden. Der Erwerb von Konzession für Gaststätten und der Kauf von Immobilien durch Rechtsextremisten muss auf allen Ebenen verhindert werden. Hierzu ist eine enge Zusammenarbeit von Bürgerinnen und Bürgern, Behörden, Medien und lokaler Wirtschaft notwendig, um frühzeitig und angemessen reagieren zu können.

Der Kampf gegen den Rechtsextremismus braucht eine starke Zivilgesellschaft und breite lokale Bündnisse für Demokratie und Toleranz, die etwa rechten Unterwanderungsversuchen von Vereinen entschieden entgegentreten.

Unsere Demokratie lebt von bürgerschaftlichem Engagement. Dort, wo Lokalpolitik, Vereinsarbeit und soziales Engagement brach liegen, können Rechte umso leichter Einfluss gewinnen. Wir begrüßen sehr, dass sich die Sportdachverbände verstärkt dem Kampf gegen Rassismus und Rechtsradikalismus im Sport stellen.

Opfer rechtsextremistischer Gewalt und Bedrohungen dürfen nicht alleine gelassen werden, sondern brauchen unsere volle öffentliche Solidarität. Initiativen wie 癸Noteingang科 im Kampf gegen 癸No-Go-Areas科 brauchen eine breite flächendeckende Unterstützung. Wir müssen der Angst vor brauner Gewalt Zivilcourage entgegensetzen.

Wir brauchen nicht nur den Aufstand der Anständigen, sondern auch den Aufstand der Zuständigen. Die Sensibilisierung und Wachsamkeit von Polizei, Strafverfolgungsbehörden oder Schulen muss verstärkt werden. Die finanzielle Unterstützung von rechts unterwanderten Fan-Projekten oder Fehlurteile aufgrund mangelnder Informationen müssen in Zukunft ausgeschlossen werden.

Nur durch langfristige Prävention und Aufklärung lässt sich der Kampf gegen den Rechtsextremismus gewinnen. Opferberatungsteams, mobile Beratungsteams, Aussteigerprogramme und andere Initiativen brauchen eine langfristig gesicherte Finanzierung und klare Konzepte.

Wir rufen alle Demokratinnen und Demokraten auf, sich in diesem Sinne gewaltfrei gegen Rechtsextremismus einzusetzen.

29.September 2006



Angelika Beer MdEP

Robert Habeck, Marlies Fritzen, Anke Erdmann und Markus Stiegler,
Landesvorstand BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Schleswig-Holstein

Carmen Lange und Ulrike Seemann-Katz,
Landesvorstand BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Mecklenburg-Vorpommern

Kreisvorstand der Alternativen Liste Neumünster

und

Kreisvorstand von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Schwerin-Ludwigslust

 

© 2004 - Angelika Beer, MdEP.
Dieser Text ist Teil des Internetauftritts von Angelika Beer, MdEP.
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