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Angelika Beer
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Munitionsaltlasten - Die Last mit Lost

29.10.2007

Streit um Beseitigung von Munitionsresten in Nord- und Ostsee

Von Dieter Hanisch, Kiel

Zu den vielen Umweltlasten in Nord- und Ostsee zählen auch Unmengen von Blindgängern und nach dem Krieg versenkte deutsche Giftgas- und Sprenggranaten. Über die Gefahren durch diese Altlast ging es kürzlich auf einem Symposium in Kiel.

Die letzte Sprengung liegt nicht lange zurück: Am 2. Oktober wurde vor Sassnitz eine Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg entschärft. Neben vielen Blindgängern gibt es auch noch die von den Alliierten direkt nach Kriegsende versenkte Munition aus Wehrmachtsbeständen in der Meerestiefe.

Nun hat man die Last mit Kampfstoffen wie Lost und Clark I, hochbrisanten Sprengstoffen und Phosphor. Jahrelang hat Deutschland sich um diese Problematik gedrückt, nur bei unmittelbarer Gefahr erfolgte eine Beseitigung ¬ñ meist als Sprengung vor Ort. Oftmals sind die gefährdeten Stellen zu Sperrgebieten erklärt worden, Befahren und Fischen ist untersagt. Durch das Projekt der deutsch-russischen Ostsee-Gas-Pipeline regen sich die Behörden nun doch.

Über den Umfang der Bedrohung haben das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrografie sowie die Landesumweltministerien der Küstenländer nur Vermutungen. Im deutschen Teil der Ostsee rechnet man mit mindestens 100 000 Tonnen konventioneller Munition, über 30 000 Seeminen sowie 40 000 bis möglicherweise sogar 365 000 Tonnen Giftgasmunition. Dazu lagern noch einmal 400 000 bis 1,3 Millionen Tonnen Munitionsreste in den Gebieten um Sylt und Helgoland sowie der Weser- und Emsmündung.

Der Meeresbiologe und Umweltgutachter Stefan Nehring fordert eine systematische Suche und konsequente Bergung der Gefahrenquellen. Immerhin rosten die Metallhüllen bis zu 0,15 Millimeter jährlich, so Fachleute auf einem Symposium in Kiel. Bedrohlich ist nicht nur die Freisetzung von Giftgasen, auch freigesetzte Sprengstoffe wie TNT sind toxisch. Der Kieler Toxikologe Hermann Kruse warnt vor einer Schädigung des Ökosystems: ¬ªKeiner weiß, wie sich entsprechende Schadstoffanreicherungen auf die Nahrungskette auswirken.¬´

Das Umweltministerium in Schleswig-Holstein gibt dagegen Entwarnung. Bei der Analyse von Proben seien keine relevanten Auffälligkeiten zu Tage getreten. Als Maßstab habe man bei den Messungen die Werte von Schadstoffmengen auf Kinderspielplätzen genommen, so das Ministerium.

Wegen der geplanten Ostsee-Pipeline zeigen nun Schleswig-Holsteins Kampfmittelbeseitiger Betriebsamkeit. Nach Protesten von Umweltschützern, die bei Sprengmaßnahmen Hörschäden und Lungenrisse bei Schweinswalen befürchten, hatte man zunächst jegliche Aktivitäten ausgesetzt, ist aber nunmehr entschlossen, das Problem anzugehen. Für Elmer Wartmann vom Kampfmittelräumdienst des Landes ist eine Entsorgung an Land aber ¬ªviel zu gefährlich¬´. Und für Alternativen zur Sprengung auf See gibt es keine Erfahrung.

Über Unfälle erfährt man kaum etwas. Eine Meldepflicht existiert in Deutschland nicht. In Dänemark gibt es jährlich etwa 20 Giftgasvorfälle in der Fischerei. Diese Zahl hat die grüne Europaabgeordnete Angelika Beer ermittelt. 2005 kamen in der Nordsee drei holländische Fischer ums Leben. Auf ihrem Trawler explodierte ein ins Netz gegangener Sprengkörper. Bis vor neun Jahren durften deutsche Fischer ihre explosiven Funde noch an Land abliefern und bekamen dafür eine Prämie. Inzwischen gibt es kein Geld mehr dafür. Manch ein Fischer lässt daher seinen explosiven Fang wieder im Meer verschwinden. Bei einer Meldung droht womöglich ein neues Sperrgebiet.

Auch die Tourismusverantwortlichen mögen das Thema nicht. Badeunfälle gefährden das Geschäft. Weißer Phosphor aus Brandbomben sieht dem Bernstein täuschend ähnlich. Brandwunden sind die Folge einer Verwechsluung. Auf Usedom mahnen zumindest Hinweisschilder Bernsteinsucher zur Vorsicht. Phosphor-Funde räumte inzwischen das Kieler Innenministerium auch in Laboe, Kiel und vor Husum ein.

Neues Deutschland

 

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Dieser Text ist Teil des Internetauftritts von Angelika Beer, MdEP.
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