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Angelika Beer
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FR-Gastbeitrag: Die Wehrpflicht lässt sich nicht länger rechtfertigen

26.10.2005

Die Aufgaben der neuen Regierung liegen auf der Hand: Im Interesse der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungs- politik muss ein freiwilliger, flexibler Militärdienst eingeführt werden.

VON ANGELIKA BEER

50 Jahre nach der Gründung der Bundeswehr wird eine Hoffnung Europas durch die sich anbahnende groe Koalition zu Grabe getragen: Nicht die Harmonisierung der Europäischen Streitkräfte steht zur Diskussion, sondern die Aufrechterhaltung des Dogmas Wehrpflicht. Dies offenbaren die uerungen des designierten Verteidigungsminister Franz Josef Jung und der Beschluss der SPD, diese Debatte erneut auf den Sankt Nimmerleinstag zu vertagen.

Schlimmer noch: Die aus gutem Grund bisher geltende Trennung der Zuständigkeiten für die Innere und uere Sicherheit droht in einem rot-schwarzen Gebräu aufzuweichen: Zur Legitimation der Wehrpflicht soll die Bundeswehr neue Aufgaben im Inneren übernehmen. Von Terrorismusabwehr bis hin zur Sicherung der Stadien gegen Hooligans bei der Fuball WM 2006 werden die SoldatInnen instrumentalisiert.


Purer Aktionismus

Damit wird nicht nur die überfällige politische Definition von Reichweite und Begrenzung der Auslandseinsätze der Bundeswehr um eine weitere Legislaturperiode verschoben, sondern auch eine Grundgesetzänderung zum Einsatz im Inneren angestrebt. Das ist purer Aktionismus, denn der Schutz vor Anschlägen kann nicht militärisch gewährleistet werden. Hierfür sind Polizei und Bundespolizei ausgebildet.

Die Bekämpfung der Ursachen des internationalen Terrorismus ist eine politische Aufgabe und erfordert eine Verzahnung der europäischen Zusammenarbeit auf allen Ebenen.

Deshalb liegt die Herausforderung darin, durch Harmonisierung und Kooperation Synergien zu nutzen, um im Rahmen multilateraler Kriseneinsätze Gewalt zu verhindern und Gefahren abzuwehren. Europa kann mit weniger Soldaten und Geld bei effizienter Nutzung den gemeinsamen Zielen der Konfliktprävention und Friedenssicherung mit UN-Mandat näher kommen, wenn alle Partner sich von nationalen Dogmen verabschieden. Deshalb gilt: Klasse statt Masse! Freiwilligkeit vor Zwang!

Die Mehrzahl unserer europäischen Partner wie Frankreich, Dänemark, Spanien, Italien, Niederlande und Tschechien hat sich längst auf diesen Weg gemacht und den Schritt zur Freiwilligkeit gewagt. In Deutschland dagegen wurde durch wolkige Formulierungen von der Verteidigung am Hindukusch und der Mär der Wehrpflicht als "Bollwerk gegen die Folter" die Debatte um Struktur und Auftrag bewusst verhindert.

Noch hat das Bundesverfassungsgericht die Wehrpflicht nicht als unzulässigen Eingriff in das Leben junger Menschen verworfen. Angesichts der heute noch 30 Prozent Eingezogenen eines Jahrganges lässt sich die Wehrpflicht aber weder durch eine allgemeine Dienstpflicht noch durch neue Aufgaben im Inneren rechtfertigen.

Die Aufgaben der neuen Regierung liegen klar auf der Hand: Im Interesse der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik tritt an die Stelle der Wehrpflicht ein freiwilliger, flexibler und attraktiver Dienst, der in ein verbessertes Konzept der Nachwuchsgewinnung und Berufsfrderung eingebettet wird. Dies kann nur gelingen, wenn die Reduzierung der Streitkräfte endlich umgesetzt wird. Ein "Weiter so" wird es - auch aus haushaltspolitischen Gründen - nicht geben.

Franz Josef Jungs Forderung nach einer allgemeinen Dienstpflicht ist grundgesetzwidrig und verstt gegen das Vlkerrecht. Solidarität kann nicht verordnet werden, sondern braucht ein breites freiwilliges Engagement.

Der Versuch der schwarz-roten Koalition, die Wehrpflicht nach dem Prinzip Hoffnung aufrecht zu erhalten, ist eine europäische sowie nationale Sackgasse. Wenn, wie jetzt, alle politische Vernunft versagt, reicht eine einzige Gerichtsentscheidung gegen die Wehrpflicht - und SPD und CDU stehen konzeptlos da. Dieses "Stillgestanden" ist gesamtgesellschaftlich verantwortungslos und Beweis dafür, dass die groe Koalition vor den wirklichen Aufgaben kapituliert!

Frankfurter Rundschau

 

© 2004 - Angelika Beer, MdEP.
Dieser Text ist Teil des Internetauftritts von Angelika Beer, MdEP.
www.angelika-beer.de

 

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