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Granaten in der Ostsee

09.01.2008

An den Str”nden der deutschen Ostsee verletzen sich fast jedes Jahr Menschen an Munitionsresten aus dem Zweiten Weltkrieg. Und die Gefahr ist offenbar gr–þer, als oft angenommen.

Von Axel Bojanowski

An den Str”nden der deutschen Ostsee kann es gef”hrlich sein. Fast jedes Jahr verletzen sich dort Menschen an Munitionsresten aus dem Zweiten Weltkrieg. Und die Gefahr ist offenbar gr–þer, als oft angenommen. Das zeigt die erste Statistik ¸ber Bombenunf”lle in der Ostsee, die am heutigen Mittwoch in der Fachzeitschrift Waterkant erscheint.

Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs kamen in Deutschland demnach mindestens 168 Menschen durch Munitionsaltlasten in der Ostsee zu Tode, mehr als 250 wurden verletzt. "Die Unfallzahlen d¸rften aber noch deutlich h–her liegen", betont der Meeresforscher Stefan Nehring, Autor der Studie.

Weil den Beh–rden Munitionsunf”lle nicht gemeldet werden m¸ssen, gibt es keine offiziellen Statistiken ¸ber Unf”lle mit Sprengstoff vom Meeresgrund. Die Bundesl”nder f¸hren lediglich sporadisch Aufzeichnungen - und halten sie geheim.

Auf dem Grund der Nord- und Ostsee vergammeln seit dem Zweiten Weltkrieg Hunderttausende Tonnen Sprengstoff und chemische Munition. Groþe Mengen Munition wurden am Ende des Zweiten Weltkriegs nicht an den vorgesehenen tiefen Stellen versenkt, weil die pro Ladung entlohnten Bootsf¸hrer so schnell wie m–glich die n”chste Fracht aufnehmen wollten.

Immer wieder Verletzungen durch Phosphor

Der letzte Todesfall liege zwar 51 Jahre zur¸ck, berichtet Stefan Nehring. Gleichwohl verletzten sich regelm”þig Strandbesucher an den Altlasten. Immer wieder w¸rden sie Opfer giftiger Brandbombenreste, die aussehen wie Bernstein. Bei Kontakt mit dem Gift l–st sich die Haut, brennende Wunden entstehen.

Gelangen Spuren des giftigen Stoffs von den H”nden in den Mund, k–nnen Leber, Niere und Magen gesch”digt werden. Sobald die Brocken getrocknet sind, verbindet sich der Phosphor dann mit Sauerstoff aus der Luft - es entsteht ein 1300 Grad heiþes Feuer, das nur mit Sand zu l–schen ist.

In manchen Regionen - zum Beispiel nahe Kiel, im Norden von Usedom, aber auch an der Nordseek¸ste - sei es mehrfach zu Strandunf”llen mit Phosphor gekommen, so Nehring. Vergangenen August zogen sich zwei Kinder beim Spielen am Strand von Fehmarn schwere Verbrennungen zu.

Die Beh–rden erkl”ren zwar nach wie vor, dass Grillkohle die Ursache gewesen sei. Doch Ÿrzte diagnostizierten Phosphorverbrennungen. "Die Beh–rden verschlieþen die Augen vor der Gefahr", sagt Angelika Beer, Abgeordnete der Gr¸nen im Europaparlament.

Wie h”ufig Fischer durch Kampfstoffe zu Schaden kommen, ist unklar. Nur D”nemark ver–ffentlicht eine Statistik ¸ber Munitionsunf”lle. Dort verletzen sich im Jahr etwa 20 Menschen durch Ber¸hrung mit Giften und bei Explosionen - die meisten von ihnen sind Fischer.

Weil die Bomben und H¸lsen nach und nach durchrosten, k–nnte ihr giftiger Inhalt ins Meer gelangen und an die K¸sten gesp¸lt werden, warnen Umweltverb”nde und Wissenschaftler seit langem. Die Weltkriegsmunition stelle deshalb auch eine Gefahr f¸r den Fischfang dar, meint Nehring.

Toxine aus Brandbomben und Giftgasmunition k–nnten sich "¸ber die Nahrungskette in den Tieren anreichern", best”tigt der Toxikologe Hermann Kruse von der Universit”t Kiel. "Bisherige Erkenntnisse sind vollkommen unzureichend", sagt Kruse. J¸ngst wurden in Schollen aus der Ostsee um das Zehnfache erh–hte Mengen Arsen festgestellt. Das Gift stamme wom–glich aus den Kampfstoffen am Meeresgrund.

Erdbebenmessger”te registrieren regelm”þig Detonationen in Nord- und Ostsee. Zuweilen l–sen sich zudem Minen vom Meeresgrund und treiben auf dem Meer, zuletzt vergangenen Mai vor der M¸ndung der Schlei in der westlichen Ostsee, berichtet Helmut Preugschat vom schleswig-holsteinischen Amt f¸r Katastrophenschutz in Kiel. Das Gefahrgut sei vom Kampfmittelr”umdienst zur Explosion gebracht und unsch”dlich gemacht worden.

Viele Munitionslagerpl”tze sind noch unbekannt

Viele Munitionslagerpl”tze sind noch heute unbekannt - zumal die Granaten durch Str–mungen abgetrieben werden k–nnen. In einem Fischerei-Bericht aus dem Jahr 2001 r”umte die schleswig-holsteinische Landesregierung ein, dass Explosionsk–rper in der Ostsee "allgegenw”rtig" seien. Die K¸stengew”sser der Ostsee, so hieþ es damals, seien "auch auþerhalb der bekannten Versenkungsgebiete stark kampfmittelbelastet".

Erst k¸rzlich hat ein Fernsehteam in der Kieler F–rde Dutzende Torpedo-Sprengk–pfe und Minen entdeckt. Die Beh–rden sehen sich in einem Dilemma: "Die Bergung der Munition ist gef”hrlich", sagt Katastrophensch¸tzer Helmut Preugschat. Deshalb werde meist versucht, die Gefahr mit Sprengungen zu beheben. Doch wieviel Gift dabei ins Meer gelange, sei "kaum vorhersehbar", sagt Nehring.

Die Sprengung von 290 Bomben am Meeresboden vor Kiel wurde nach Protesten von Umweltverb”nden ausgesetzt, sagt Axel L¸dders vom Innenministerium Schleswig-Holsteins. "Wir pr¸fen andere Verfahren, mit denen die Gefahr beseitigt werden kann", so L¸dders. Auch f¸r die geplante Pipeline durch die Ostsee von Russland nach Deutschland stellt Munition eine Gefahr dar.

S¸ddeutsche Zeitung

 

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Dieser Text ist Teil des Internetauftritts von Angelika Beer, MdEP.
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