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Angelika Beer
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Die Verschiebung der Aufnahmeverhandlungen mit Kroatien ist konsequent

17.03.2005

Die Aufnahme der Beitrittsverhandlungen der EU mit Kroatien ist vorerst gescheitert. Die Entscheidung des Rates die Verhandlungen zu verschieben, ist konsequent. Wer die Voraussetzungen nicht erfüllt, muss warten. Europa kann und wird seine eigenen Standards nicht aufs Spiel setzen.

Bei der aktuellen Entscheidung zu Kroatien muss man die europäische Perspektive des gesamten westlichen Balkans vor Augen haben: Es geht um gleiche Standards und die zukünftige friedliche Gesamtentwicklung des Westbalkans. Egal ob Kroatien, Serbien und Montenegro, Kosovo oder Mazedonien: Neben der Einhaltung der Kopenhagener Kriterien müssen insbesondere drei Grundsätze gewährleistet werden:
1. Anerkennung der Grenzen,
2. Schutz von Minderheiten,
3. Uneingeschränkte Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof in den Haag.

Wären die Verhandlungen zwischen EU und Kroatien nicht ausgesetzt worden, hätte das zur Folge gehabt dass z.B. der Druck auf die Serben, Karadzic und Mladic auszuliefern, sinkt und damit eine Friedens- und Versöhnungsperspektive für Bosnien und Herzegowina in weite Ferne rückt. Es hätte zur Folge, dass der taktische Schachzug von Ramusch Haradinaj, der darauf hofft, dass keine Zeugen gegen ihn aussagen - aus Angst oder weil sie bereits tot sind - erfolgreich wäre. Dies hätte außerdem zur Folge, dass alle europäischen Bemühungen, die Amerikaner zur Anerkennung und Zusammenarbeit mit dem IGSTH auf immer zum Misserfolg verdammt wären. Denn wer seine eigenen Grundsätze nicht ernst nimmt, kann von anderen nicht erwarten, dass sie diese einhalten.

Im Falle Kroatiens geht es nicht allein um die Person Gotovina. Das Kernproblem besteht darin, dass alte Kräfte und Parallelstrukturen den Anstrengungen des offiziellen Kroatiens entgegenwirken und die kroatische Regierung weder Rechtssicherheit noch Verlässlichkeit der Staatsorgane garantieren kann. Für Kroatien wie für alle anderen Beitrittskandidaten gilt weiter: Die Tür bleibt offen. Aber über die Geschwindigkeit der Verhandlungen und des Beitritts zur EU entscheidet das Reformtempo der Kandidaten.

Der zukünftige Erweiterungsprozess der Europäischen Union kann nur gelingen, wenn alle Beitrittskandidaten die gleichen eindeutigen Vorbedingungen erfüllen - die Kopenhagener Kriterien. Sie legen wirtschaftlich und politisch klare Standards fest und verlangen den entschiedenen Willen, sich die aus der EU-Mitgliedschaft ergebenden Ziele und Verpflichtungen zueigen zu machen. Institutionelle Stabilität, demokratische und rechtsstaatliche Ordnung, Wahrung der Menschenrechte sowie Achtung und Schutz von Minderheiten sind die entscheidenden politischen Kriterien.

Mit der Verschiebung der Verhandlungen werden keineswegs die Fortschritte, die Kroatien in der Vergangenheit gemacht hat, ignoriert Die national-konservative Regierung unter Ministerpräsident Sanader hat in den vergangen Monaten einen klaren EU-Kurs eingeschlagen, der auch von der größten Oppositionspartei des ehemaligen Regierungschef Racan unterstützt wird. Dies fand Anerkennung durch die Empfehlung der Staats- und Regierungschefs der EU am 18. Juni 2004, der Republik Kroatien den Status eines Beitrittskandidaten zu verleihen, auch wenn noch nicht alle Hausaufgaben erfüllt sind. In ihrem Bericht an Rat und Parlament vom 6. Oktober 2004 kritisierte die EU-Kommission Kroatien wegen mangelnder Kooperation mit dem Haager Kriegsverbrechertribunal und forderte eine bessere Zusammenarbeit mit den Nachbarländern. Auch der Europäische Rat hat am 17. Dezember 2004 beschlossen, die Beitrittsverhandlungen mit Kroatien unter der Bedingung zu beginnen, dass das Land uneingeschränkt mit dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien zusammenarbeitet.

Tatsache aber ist: Kroatien hat den ehemaligen General und Kriegsverbrecher Ante Gotovina nicht festgenommen. Gotovina ist angeklagt wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in seiner Zeit als Kommandant in der Krajina. Es besteht kein Zweifel, dass Gotovina von Kroaten unterstützt wurde und wird. Dazu kommt der ernstzunehmende Verdacht, dass seine Festnahme weiterhin durch hochrangige Helfer auch innerhalb des Staatsapparates verhindert wird.

Neben der mangelnden Zusammenarbeit mit dem Internationalen Kriegsverbrechertribunal für das ehemalige Jugoslawien bestehen insbesondere noch Probleme in den Beziehungen zu Slowenien und in der Frage des Minderheitenschutzes und der Flüchtlingsrückkehr.

Zu hoffen ist, dass die Verschiebung der Verhandlungen der Regierung in Zagreb bewusst macht, dass sie alle Zweifel über ihren Kooperationswillen und ihre Durchsetzungsfähigkeit ausräumen muss. Noch 2001 hatte die damalige Regierung unter Racan aus Angst vor dem Protest von Kriegsveteranen und dem Widerstand der oppositionellen Kroatischen Demokratischen Gemeinschaft (HDZ) ein Untertauchen von Gotovina nach der Veröffentlichung der Anklageschrift ermöglicht. Auch der heutige Regierungschef Sanader hatte sich damals für die Ehrenrettung des Gesuchten stark gemacht und stand noch im vergangenen Jahr indirekt über den Berater von Präsident Mesic, Zeljko Bagic, in Kontakt mit Gotovina. Die Regierung in Zagreb muss ihre Bereitschaft, mit aller Entschiedenheit gegen die Widerstände im eigenen Apparat vorzugehen, nachweisen. Es geht letztlich um die Frage, ob die kroatische Regierung die Staatsorgane tatsächlich kontrolliert und Rechtssicherheit garantieren kann.

Die jetzige Entscheidung der EU hat Signalwirkung für die Versöhnungsanstrengungen auf dem gesamten Westbalkan. Wir lassen nicht zu, dass die Vergangenheit unter den Teppich gekehrt wird. Hätte die EU im Einzelfall Kroatien nachgegeben, um die Ziele von Thessaloniki scheinbar früh zu erreichen, wäre der Balkan nicht stabiler geworden, sondern Unrecht und Verbrechen blieben ungestraft. Ein solches Vorgehen hätte diejenigen auf dem Balkan gestärkt, die die Täter immer bei den anderen suchen und sich selbst als Opfer sehen.

Langfristig ist Frieden nur möglich, wenn alle, die Schuld auf sich geladen haben, zur Rechenschaft gezogen werden. Egal ob Serben, Bosniaken, Albaner oder Kroaten.

Auch in diesem Bereich müssen alle Beitrittskandidaten gleich behandelt werden. Da es Täter und Opfer auf allen Seiten gibt, muss die Auslieferung Gotovinas eine ¬Ñconditio sine qua non¬ì bleiben. Das Kriegsverbrechertribunal arbeitet die Geschichte der Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien auf und schafft damit die entscheidende Grundlage für Versöhnung und Frieden.

Mit der Europäischen Union werden große Hoffnungen verbunden. Sie werden in Zukunft nur zu erfüllen sein, wenn die EU die eigenen Standards und Vorgaben weiterhin konsequent und entschieden durchsetzt. Der Verhandlungsstopp mit Kroatien ist daher folgerichtig und ein klares Signal an alle anderen Beitrittskandidaten.

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Dieser Text ist Teil des Internetauftritts von Angelika Beer, MdEP.
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