Direkt zur Navigation

Angelika Beer
MdEP

Sie sind hier: angelika-beer.de | Themen | EU-Erweiterung

zurück zu: EU-Erweiterung

Gr¸ne Fraktion ber”t Europ”ische Perspektiven

Marseille, am 17.-20.10.2005

Einmal im Jahr trifft sich die Fraktion Gr¸ne/EFA des Europ”ischen Parlaments zu einer Klausur. Das K¸rzel EFA im Fraktionsnamen steht f¸r European Free Alliance, ein B¸ndnis aus Regionalisten, die sich mit den Gr¸nen zu einer Fraktion zusammengeschlossen haben. Nachdem man sich im letzten Herbst in Istanbul getroffen hatte, um ¸ber M–glichkeiten und Konsequenzen eines t¸rkischen EU-Beitritts zu diskutieren, ging die Fraktion dieses Mal nach Marseille in die Heimatstadt des franz–sischen gr¸nen Europaabgeordneten Jean-Luc Bennahmias.

Der Entschluss, die Fraktionsklausur in Frankreich abzuhalten, war kein Zufall. Das negative franz–sische Referendum ¸ber die EU-Verfassung im Mai 2005 hat die politische Agenda der EU und des EP tief beeinflusst und ver”ndert. Die groþen politischen Themen des Jahres 2005 haben deshalb auch die Themen von Marseille bestimmt: 1. Wie kann die Krise Europas ¸berwunden und der Verfassungsprozess fortgesetzt werden? 2. Welche Perspektiven bestehen f¸r die EU-Erweiterung? 3. Welches europ”ische Sozialmodell bef¸rworten die Gr¸nen? 4. Wege zu einem nachhaltigen Handel - Herausforderungen zwischen New York und Hongkong. Und last but not least: 5. Chancen gr¸ner Politik in Europa.

Zu den einzelnen Themen:

2.1. Wie kann die Krise Europas ¸berwunden und der Verfassungsprozess fortgesetzt werden?

Antwort nach einem ganzen Tag intensiver Diskussionen: Es gibt keine schl¸ssige Antwort auf diese Frage, sondern nur Ann”herungen. Johannes Voggenhuber, gr¸ner MdEP aus ÷sterreich, arbeitet zur Zeit mit seinem britischen Kollegen Andrew Duff von der liberalen Fraktion an einem Bericht, wie das Europ”ische Parlament den Verfassungsprozess voranbringen kann. Folgender Knoten muss gel–st werden: 14 L”nder, die gemeinsam mehr als die H”lfte der EU-Bev–lkerung repr”sentieren, haben die Verfassung ratifiziert, Frankreich und die Niederlande haben sie abgelehnt und der Ratifizierungsprozess in den verbliebenen neun L”ndern ist zum Stillstand gekommen. Weitgehend einig waren sich die Europaabgeordneten, dass man Franzosen und Niederl”nder nicht noch einmal ¸ber denselben Verfassungstext abstimmen lassen kann. Es muss also ein neuer Text her, der aus den Teilen I und II des Entwurfs bestehen sollte und damit k¸rzer, verst”ndlicher und auf den Verfassungskern reduziert ist. Ðber diesen Text k–nnte dann in einer europaweiten Volksabstimmung - m–glichst am Tag der Europawahl 2009 - abgestimmt werden. Bis 2009 soll das EP nach den Vorstellungen von Johannes Voggenhuber die europ”ische Debatte zur Verfassung anf¸hren. Um die Bev–lkerung zu ¸berzeugen schl”gt er u.a. vor, die folgenden vier Fragen mit den Europ”erinnen und Europ”ern zu diskutieren: 1. Was ist das Ziel der europ”ischen Integration? 2. Welche Rolle sollte Europa in der Welt spielen? 3. Welche Zukunft hat das europ”ische Sozial- und Wirtschaftsmodell unter den Bedingungen der Globalisierung? 4. Wie definieren wir die Grenzen der Europ”ischen Union? An diesen vier Fragen schieden sich die Geister: W¸rde eine Antwort, z.B. bei den Grenzen, die EU zu sehr einengen? Macht man angesichts der grassierenden Skepsis mit diesen Fragen die B¸chse der Pandora auf und riskiert damit, dass es keine Verfassung geben wird, oder erreicht man einen europ”ischen Konsens nur, indem man sich diesen Fragen stellt, was immer am Ende dabei herauskommen mag? Die gr¸ne Fraktion wird ihre definitive Position dann bestimmen, wenn der Bericht von Johannes Voggenhuber im Parlament zur Abstimmung kommt.

2.2. Welche Perspektiven bestehen f¸r die EU-Erweiterung?

Die gescheiterten Verfassungs-Referenden in Frankreich und den Niederlanden haben auch einen verst”rkten Rechtfertigungsdruck f¸r die Erweiterungspolitik der EU seit 1990 gebracht. Joost Lagendijk von den niederl”ndischen Gr¸nen und Angelika Beer haben auf der Fraktionsklausur ein gemeinsames Strategiepapier zu zuk¸nftigen Erweiterungen zur Diskussion gestellt, ¸ber das in den wesentlichen Punkten Einigkeit erzielt wurde. Zwei Aspekte haben sie besonders hervorgehoben: 1. Es werde viel zu wenig gew¸rdigt, welchen Stabilit”tsgewinn - politisch und wirtschaftlich - Europa durch die Osterweiterung von 2004 erreicht habe. 2. Die EU der 15 habe es nicht geschafft, ihre Vertiefung, d.h. die Funktionsf”higkeit der Union nach der Osterweiterung, vor der Erweiterung zu beschlieþen. Im Kern liefe das auf die Begrenzung des Vetorechts hinaus. Nun sei es noch schwerer geworden, die notwendigen Ver”nderungen durchzusetzen. Dieses Scheitern ist mit dem Namen Nizza verbunden. Dennoch werde und m¸sse die Erweiterung weitergehen: Bulgarien und Rum”nien sind bereits beschlossen (wenn auch die Vertr”ge noch nicht von allen Staaten ratifiziert wurden), mit der T¸rkei und Kroatien seien Beitrittsverhandlungen begonnen worden, der Balkan brauche eine feste EU-Beitrittsperspektive als Voraussetzung f¸r Entwicklung. Die Annahme einer europ”ischen Verfassung solle keine Bedingung f¸r weitere Beitritte sein und die Grenzen der Union d¸rften nicht von vorneherein festgelegt werden, denn die EU sei zuerst ein politisches und kein geographisches Projekt. Es sei im Moment unsinnig, Zeitpl”ne aufzustellen z.B. f¸r die Ukraine, die zuk¸nftigen Entwicklungen m¸ssten abgewartet werden. Es sei vorstellbar, dass der ganze Prozess mehr als zwei Jahrzehnte umfassen k–nne. Es sei eine groþe politische Herausforderung, die Akzeptanz der B¸rgerinnen und B¸rger f¸r die EU-Erweiterungen zu erreichen. Hier d¸rfe man sich nicht von tagesaktuellen Umfragen, sondern m¸sse sich von langfristigen Zielen leiten lassen. Die EU-Erweiterung sei nicht nur f¸r die Stabilit”t Europas, sondern auch f¸r das Gewicht der EU auf der globalen Ebene von groþer Bedeutung.

2.3. Welches europ”ische Sozialmodell bef¸rworten die Gr¸nen?

Jeder f¸r sein Heimatmodell und alle gemeinsam gegen den Neoliberalismus, das ist - etwas ¸berspitzt - die Position der gr¸nen Fraktion. Die Diskussion brachte die Erkenntnis, dass es kein einheitliches europ”isches Sozialmodell gibt. Sepp Kusstatscher von den italienischen Gr¸nen sprach in seinem Eingangsreferat davon, dass zu wenig ¸ber die reale Armut geredet werde. In der Diskussion wurde schnell klar, dass es immer noch vorwiegend die Mitgliedstaaten selbst sind, die den Rahmen der Sozialpolitik setzen, dass man aber mittelfristig zu einheitlichen europ”ischen Grundstandards und m–glichst auch zu einer einheitlichen Grundsicherung (z.B. je Land ein gleicher Prozentsatz vom jeweiligen Durchschnittseinkommen) kommen m¸sse. Da aktuell alle Regierungen Europas, ob rechts, links oder sonst wie gestrickt, Sozialabbau betreiben w¸rden, k–nne nur die EU eine Sozialpolitik durchsetzen, die gegen¸ber den Global Playern nicht erpressbar sei.

2.4. Wege zu einem nachhaltigen Handel - Herausforderungen zwischen New York und Hongkong

Wie muss der internationale Handel gestaltet werden, damit er fair und nachhaltig abl”uft? Dieses Thema war sicher das schwierigste und vision”rste zugleich, das auf der Fraktionsklausur diskutiert wurde. In New York ist im September der Milleniums-Nachfolge-Gipfel der UNO gescheitert, der f¸nf Jahre nach der Festlegung von Entwicklungszielen, das Erreichte ¸berpr¸fen und entscheidende Fortschritte f¸r die Entwicklung bringen sollte. Im Dezember wird in Hongkong die aktuelle WTO-Runde zum Abbau von Handelshemmnissen fortgesetzt. In Marseille hat die gr¸ne Fraktion dar¸ber diskutiert, wie –kologische, demokratische und soziale Standards in den Welthandel integriert werden k–nnen. Wichtige Punkte der Diskussion: Kann man die Welthandelsorganisation in die UNO integrieren? Wie k–nnen Standards in der WTO durchgesetzt werden, die –kologische, demokratische und soziale Standards in der Regel als nichttarif”re Handelshemmnisse verbietet? Und l”sst sich der Welthandel ¸ber einen qualifizierten Marktzugang zur EU regeln, der entweder Quoten festlegt oder auch Abgaben beinhaltet, die dann f¸r Projekte in den Entwicklungsl”ndern verwendet werden sollen? Die britische gr¸ne Abgeordnete Caroline Lucas (Welthandelssystem), Frithjof Schmidt (fairer Welthandel) und Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf (qualifizierter Marktzugang) haben dazu Positionspapiere vorgelegt.

2.5. Chancen gr¸ner Politik in Europa

Im letzten Tagungspunkt diskutierte die gr¸ne Fraktion vor allem dar¸ber, wie gr¸ne Politik in Osteuropa gef–rdert und die Zusammenarbeit in der Europ”ischen Gr¸nen Partei verbessert werden kann. In Osteuropa haben die meisten gr¸nen Parteien einen schweren Stand. Durch die Erweiterung der EU wurden, und werden m–glicherweise auch in Zukunft, die Gr¸nen im EP relativ zur Gesamtzahl der Abgeordneten geschw”cht. Gezielte Partnerschaften - sowohl von einzelnen Abgeordneten als auch von Fraktionen oder Landesverb”nden - wurden dabei als gute M–glichkeit zuk¸nftiger Zusammenarbeit bef¸rwortet.

Christoph Nick, Referent f¸r ÷ffentlichkeitsarbeit der Europagruppe DIE GRÐNEN

newsletters der deutschen Europagruppe DIE GRÐNEN

 

© 2004 - Angelika Beer, MdEP.
Dieser Text ist Teil des Internetauftritts von Angelika Beer, MdEP.
www.angelika-beer.de

 

TOP |