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Angelika Beer
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Iran-Konferenz: Alternativen zur Eskalation

Brüssel, am 04.07.2007

Am 4. Juli fand auf Einladung der Grünen im Europäischen Parlament eine internationale Konferenz über das iranische Atomprogramm statt. Auf Initiative von Angelika Beer, der Vorsitzenden der Iran-Delegation des Parlaments, kamen Referenten aus acht Staaten und über 100 Teilnehmer nach Brüssel, um über "Alternativen zur Eskalation" zu diskutieren. Auf den drei Panels der ganztägigen Konferenz debattierten hochkarätige Vertreter des Irans, der Europäischen Union, der Arabischen Liga und der Bewegung der blockfreien Staaten sowie Atomkritiker, Wirtschaftswissenschaftler und Energieexperten.

Der breit gefächerte Teilnehmerkreis und die Einbeziehung Teherans trugen aus Sicht der Beteiligten zum großen Erfolg der Veranstaltung bei. Die Teilnahme iranischer Vertreter ist dabei politisch kontrovers. Gastgeberin Angelika Beer hält solch einen Dialog allerdings für unerlässlich. Sie unterstrich die Bedeutung, Schwarz-Weiß-Malerei zu überwinden, auf allen Ebenen im Gespräch zu bleiben und jede militärische Option auszuschließen. Auf der Ebene der Regierungen bedeute dies, Verhandlungen mit dem Iran ohne den Stopp der Urananreicherung als Vorbedingung aufzunehmen und auszubauen. Dies sei die einzige Alternative zu einer weiteren Eskalation mit möglicherweise katastrophalen Folgen. Ebenso gelte es, den Austausch auf zivilgesellschaftlicher Ebene aufrechtzuerhalten und zu vertiefen. So könne die Grundlage für gegenseitiges Vertrauen gelegt und der Druck auf die Regierungen aufgebaut werden, der für eine politische Lösung notwendig sei. Mit der Einbeziehung staatlicher, zivilgesellschaftlicher und wissenschaftlicher Akteure mit breitem geographischem Hintergrund versuchte die Konferenz einen Beitrag dazu zu leisten.

Das Programm spiegelte den vielfältigen Teilnehmerkreis wider. Damit sollte ein ganzheitlicher Blick auf die Auseinandersetzung um das iranische Atomprogramm ermöglicht werden. Die drei Panels der Konferenz befassten sich mit der ¬ÑMotivation der Akteure und Schritten aus der Atomkrise¬ì, den ¬ÑAlternativen innerhalb des NPT-Regimes¬ì und ¬ÑAlternativen Energieszenarios für Irans Eigenverbrauch und Exportsicherheit¬ì. Über die Konferenz wurde breit in der iranischen Presse berichtet.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 



Zweigleisige Iranpolitik der Grünen

In seiner Eröffnungsrede machte Grünen-Fraktionsvorsitzender Daniel Cohn-Bendit die Grundhaltung seiner Partei klar. Aus Grüner Sicht seien weder die militärische, noch die zivile Nutzung der Atomtechnologie akzeptabel. Gleichzeitig respektierten die Grünen aber das Selbstbestimmungsrecht der Völker und könnten ihnen daher den Verzicht auf Atomenergie nicht aufzwingen. Vor diesem Hintergrund beschrieb Cohn-Bendit die Iranpolitik der Grünen als zweigleisig: Einerseits müsse der Iran ¬ñ auch durch das Aufzeigen von Energie-Alternativen ¬ñ von der Überflüssigkeit eines Atomprogramms überzeugt werden. Andererseits müsse, solange diese Anstrengung erfolglos bleibt, der rein zivile Charakter des Programms durch internationale Kontrollen sichergestellt werden. Letztlich, so Cohn-Bendit, sei eine volle Gewährleistung der Transparenz der iranischen Atompolitik nur durch die Gesellschaft Irans selbst möglich. Dies setze eine demokratische Öffnung des Landes voraus, worin die Zivilgesellschaft unterstützt werden solle.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Motivation der Akteure und Schritte aus der Atomkrise

Das erste Panel diskutierte unter der Moderation von Angelika Beer über die Interessen und Motive der beteiligten Akteure sowie mögliche Wege aus der gegenwärtigen Krise. Johannes Reissner von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin stieß die Debatte mit einem Impulsvortrag an. Er analysierte die unterschiedlichen Interessen des Iran, der Europäischer Union, der Vereinigten Staaten, Russlands sowie der iranischen Nachbarn. Reissner kam zu dem Schluss, dass die USA und der Iran die entscheidenden Akteure für eine Lösung des Konflikts seien. Gleichzeitig käme aber auch den Staaten in der Region eine besondere Bedeutung zu, da sie den Manövrierraum für die beide Hauptakteure schaffen müssten. Die Europäer hätten bislang ihre Ziele kaum erreichen können. Dennoch sei es nicht zuletzt ihren intensiven Bemühungen zu verdanken, dass eine Absage an militärische Lösungen und ein Verzicht auf regime change mittlerweile auch von der US-Administration erwogen würden. Die militärische Option sei aber nach wie vor nicht vom Tisch, so Reissner. Kurzfristig strebten die USA härtere Sanktionen an. Darin würden sie von Frankreich und Großbritannien sowie, jedoch weniger nachdrücklich, von Deutschland unterstützt. Russland und China stünden Washingtons containment-Politik kritisch gegenüber, für beide Staaten seien die Beziehungen zu den USA jedoch wichtiger als jene zum Iran.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der iranische Botschafter bei der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEA) in Wien, Ali Asghar Soltanieh, verteidigte energisch das Nuklearprogramm seiner Regierung. Es habe einen ausschließlich zivilen Charakter und sei für den steigenden Energiebedarf Irans unerlässlich. Die Bedenken der Atomkraftkritiker seien unverständlich und Nuklearforschung eine Zukunftschance für die iranische Gesellschaft. Soltanieh verwies auch darauf, dass sich der Iran stets um eine gute Zusammenarbeit mit der IAEA bemüht habe. Der Westen dagegen habe stets doppelte Standards angelegt und unerfüllbare Forderungen an sein Land gestellt. So hätten die geforderten Auflagen für das Atomprogramm jede Nuklearforschung im Iran verunmöglicht und damit die Zukunftsfähigkeit der iranischen Ökonomie unterlaufen.

 

 

 

 

 

 

 

 



Die oberste Priorität der Europäischen Union ist eine "politische Lösung durch Dialog". So zumindest beschrieb Robert Cooper die Haltung des EU-Außenbeauftragten Javier Solana. Cooper ist Generaldirektor für auswärtige und militärisch-politische Angelegenheiten des EU-Ministerrats. Er betonte das Recht Irans auf ein ziviles Atomprogramm und die Bereitschaft der EU, das Programm zu unterstützen. Als Alternative zur Urananreicherung im Iran sprach sich Cooper dafür aus, dem Iran völkerrechtlich verbindliche Zusagen für eine externe nukleare Brennstoffversorgung anzubieten. Dies könne beispielsweise mit Hilfe einer Resolution des UN-Sicherheitsrats realisiert werden.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Als Vertreter der Arabischen Liga bei der EU nahm Botschafter Abdelouahab Derbal an der Diskussion teil. Die Bewegung der blockfreien Staaten wurde durch Mohd Arshad M. Hussain repräsentiert, dem Botschafter Malaysias bei der IAEA in Wien. Beide unterstrichen die Bedeutung des Atomwaffensperrvertrags (NPT) und forderten seine strikte Implementierung. Dabei sprachen sie sich insbesondere auch gegen das Anlegen von Doppelstandards durch den Westen aus. Darüber hinaus unterstützten beide Botschafter die Einrichtung einer atomwaffenfreien Zone im Nahen Osten. Derbal sagte zudem, dass sich die Arabische Liga nicht in moderate und nicht-moderate Staaten spalten lasse und machte indirekt die israelische "Politik des Konflikts" für den Atomstreit mit Iran mitverantwortlich. Hussain wies zusätzlich auf die zielungenaue und potentiell kontraproduktive Wirkung von Sanktionen gegen den Iran hin.

Für die junge und politisch instabile Atommacht Pakistan sprach Saeed Khalid, Botschafter bei der Europäischen Union. Seine Regierung unterstütze die Bemühungen der EU für eine friedliche Lösung des Atomstreits. Gleichzeitig betonte Khalid, dass sich Pakistan gegen den Einsatz von Zwangsmaßnahmen gegen den Iran ausspreche.


Alternativen innerhalb des NPT-Regimes

Das zweite Panel suchte nach Strategien und Handlungsoptionen zur Aufrechterhaltung und Verbesserung der Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen im Rahmen des Atomwaffensperrvertrags (NPT). Es wurde von der liberalen Europaabgeordneten Annemie Neyts-Uyttebroeck morderiert.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Impulse für die Diskussion kamen von Gareth Evans, dem Vorsitzenden der Interntional Crisis Group und Mitglied der so genannten Blix-Kommission (UN High Panel of Experts on Threats Challenges and Change). Er kritisierte, dass die Bemühungen um Abrüstung und Nichtweiterverbreitung innerhalb des letzten Jahrzehnts erheblich an Kraft verloren hätten. Dies stelle eine erhebliche Gefahr für die globale Sicherheit dar. Um diesem Trend entgegenzuwirken, sprach sich Evans für die Umsetzung der Empfehlungen der Blix-Kommission aus. Demnach sollte sich die Staatengemeinschaft zunächst auf allgemeine Handlungsprinzipien einigen und in einem nächsten Schritt auf das vollständige Verbot aller Massenvernichtungswaffen hinarbeiten. Schließlich sollten die Sicherheit der bestehenden Waffenarsenale verbessert und eine neue Welle der Proliferation durch eine Wiederbelegung der Grundprinzipien des Atomwaffensperrvertrags verhindert werden. Evans brachte auch konkrete Alternativen zur iranischen Urananreicherung ins Spiel. Als mögliche Option nannte er eine Internationale Brennstoffbank, die das Monopol zur Urananreicherung und -verarbeitung erhielte. Eine zweite, realistischere Möglichkeit sei eine Globale Atomenergie-Partnerschaft. Dabei würde eine begrenzte Zahl von Staaten nukleare Brennstoffe produzieren und dann an weitere Länder verleasen.

Weitere Panelisten waren Reza Nadjafi, der Leiter der Abteilung für Abrüstung und Nichtweiterverbreitung im iranischen Außenministerium sowie der ägyptische Botschafter bei der EU, Mahmoud Karem. Karem ist auch Mitglied einer internationalen Expertengruppe der IAEA zu multilateralen Ansätzen im nuklearen Brennstoffkreislauf. Beide Referenten sprachen sich für eine deutliche Stärkung der IAEA und ihrer Kontrollkapazität aus, um die Bestimmungen des Atomwaffensperrvertrags durchzusetzen. Karem unterstrich zudem die Bedeutung von regionaler Kooperation zur Beilegung des Atomstreits und forderte die Einrichtung einer atomwaffenfreien Zone im Nahen Osten. Nadjafi kritiserte, dass der Westen bei der Durchsetzung des NPT-Regimes doppelte Standards anlege und vor allem seine eigenen Interessen im Blick habe.

Nuran Niyazaliev stellte die neu geschaffene zentralasiatische atomwaffenfreie Zone vor. Er ist stellvertretender Direktor für internationale Organisationen und Sicherheitsfragen im Außenministerium Kirgisiens. Die Stimme der Zivilgesellschaft auf dem Podium war Kate Hudson, die Vorsitzender der Kampagne für atomare Abrüstung in Großbritannien. Auch sie sprach sich für die Einrichtung einer atomwaffenfreien Zone im Nahen Osten aus und warf dem Westen zudem Doppelmoral vor. Während westliche Regierungen ihre Nuklearwaffenarsenale modernisierten, verurteilten sie andere Staaten, die darauf mit eigenen Atomprogrammen reagierten. Als ehrliche und nachhaltige Lösung bleibt daher aus Hudons Sicht nur die vollständige, weltweite nukleare Abrüstung.


Alternative Energieszenarios für Irans Eigenverbrauch und Exportsicherheit

Das dritte Panel der Konferenz stellte die Notwendigkeit der Nutzung von Nukleartechnologie im Iran grundsätzlich in Frage. Die Moderatorin der Runde, die Grünen-Abgeordnete Rebecca Harms, erläuterte ¬ñ ähnlich wie zuvor auch Beer und Cohn-Bendit ¬ñ den dahinter liegenden Gedanken. So könne nur durch den Verzicht auch auf die zivile Nutzung der Atomkraft die Gefahr der militärischen Verwendung wirksam gebannt werden.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Realisierbarkeit dieser politischen Forderung wurde durch das Impulsreferat von Mohssen Massarat mit wissenschaftlichen Fakten über die Energiesituation im Iran untermauert. Der Professor für Politische Wissenschaft und Ökonomie der Universität Osnabrück griff dazu auf die Ergebnisse seiner Forschung zurück, für die er Szenarien über die Entwicklung der Energieproduktion und des Energieverbrauchs des Iran entwickelt hat. Massarat kam zu dem Schluss, dass Iran seinen steigenden Energiebedarf vollständig aus erneuerbaren Energien und Energieeinsparungen decken könne. Er verwies insbesondere darauf, dass ein solcher Verzicht auf die Atomkraft auch wirtschaftlich für den Iran vorteilhaft sei.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Pirouz Mojtahed-Zadeh, Professor für Politische Geographie und Geopolitik der Taribat-Modarres-Universität in Teheran, unterstrich die Abhängigkeit des Iran vom Energieexport. Das Land erziele 80 Prozent seines Exporteinkommens aus Energieausfuhren. Aus diesem Grund könnten die iranischen Öl- und Gasvorkommen nicht für den inländischen Konsum aufgewandt werden. Hierin liege der Hauptantrieb für Teheran, sein Atomprogramm voranzutreiben.

Die beiden weiteren Panelisten, Paul Horsman von Greenpeace und Heinz Ossenbrink vom Joint Research Centre der Europäischen Kommission, teilten beiden grundsätzlich die eingangs formulierten Überlegungen von Massarat. Horsman ist als Koordinator für friedliche Energieformen im Rainbow Warrior Middle East Project der Umweltorganisation tätig. Ossenbrink ist Referatsleiter für Erneuerbare Energien im Institut für Umwelt und Nachhaltigkeit des Joint Research Centre der Kommission.

Schlussfolgerung von Angelika Beer

Aus Sicht der Gastgeberin Angelika Beer hat die Konferenz gezeigt, dass es im Atomstreit noch Wege aus der Eskalation gibt. In ihrer Bilanz zum Abschluss der Tagung führte sie hierfür insbesondere vier Gründe an. Die jüngsten Begegnungen zwischen der IAEA und dem Iran ließen es zum ersten möglich erscheinen, dass die offenen Fragen der Wiener Kontrollbehörde klärbar seien. Insbesondere die Ergebnisse des Treffens zwischen IAEA-Direktor Mohammed el-Baradei und Teherans Chefunterhändler Ali Laridschani wenige Tage vor der Konferenz könnten zu einem Vertrauensgewinn der internationalen Gemeinschaft und nicht zuletzt der EU beitragen. Positiv sei zweitens außerdem, dass Iran nach Aussagen seines Botschafters Soltanieh auf dem Podium bereit zu sein scheine, seine Anreicherung auszusetzen. In diesem Zusammenhang jedoch müsse die internationale Gemeinschaft wohl dem Iran zugestehen, dass ein Minimum an Anreicherung für Forschung und Entwicklung erlaubt bleiben müsse.

Drittens erkannte Beer eine realistische Chance für ein so genanntes doppeltes Moratorium. Demnach ließe sich die gegenwärtige Blockade mit dem Beginn von Verhandlungen überwinden, nachdem Iran seine Anreicherung und die UN ihre Sanktionen ausgesetzt hätten. Schließlich griff Beer auch die Idee der multilateralen Brennstoffbank auf. Diese könne laut Aussagen iranischer Vertreter allerdings nur funktionieren, wenn Teheran verlässliche Versorgungszusagen gemacht würden.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Den europäischen Teilnehmern der Konferenz gab Beer abschließend noch einige Denkanstöße zur eigenen Glaubwürdigkeit mit auf den Weg. Wie sei es beispielsweise um die nukleare Abrüstung nach Artikel 6 des Atomwaffensperrvertrags oder gar eine atomwaffenfreie Zone in Europa bestellt? Beer kritisierte darüber hinaus die Modernisierung der britischen Trident-Atomwaffen und die fehlenden Bemühungen Europas, die bestehenden Atommächte in der Nachbarschaft Irans, Israel und Pakistan, zur Abrüstung zu bewegen. Nicht zuletzt für dieses Ziel sei es lohnenswert, sich wieder engagierter für eine Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in der Region stark zu machen. Dass konstruktiver Dialog auch zwischen sehr unterschiedlichen Positionen möglich ist, hat die Brüsseler Iran-Konferenz der Grünen gezeigt.

Fotos Europäisches Parlament

 

© 2004 - Angelika Beer, MdEP.
Dieser Text ist Teil des Internetauftritts von Angelika Beer, MdEP.
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Studie Irans Energieversorgung von Mohssen Massarat
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