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Angelika Beer
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"Vor dem Tor hab ich oft gesessen" -Vier Grünen-Politiker erinnern sich an 1986

02.06.2005

Zum Filmstart von "Am Tag als Bobby Ewing starb": Vier Grünen-Politiker gehen ins Kino und erinnern sich an 1986

Heute startet "Am Tag, als Bobby Ewing starb", der liebevoll die Anfänge der Grünen bis zum Tschernobyl-GAU beleuchtet. Vier Grüne haben ihn sich schon angesehen - und schildern Peter Zander ihre persnlichen Eindrücke.


Renate Künast: Vielen Dank für diesen Film. Er hat mich zurück in die Anfangsphase der Grünen gebracht und an die Freie Republik Wendland erinnert. Noch heute bin ich Inhaberin des Passes dieser Republik. So viel anders als in der kleinen Kommune im Film war es dort auch nicht. Der Film wirft auf liebenswürdige Art einen Blick zurück und erinnert an die eine oder andere wunderliche Verhaltensweise. Aber er denunziert eben nicht, sondern beobachtet sehr genau ein paar Leute, die trotz aller Verrücktheiten die richtigen Fragen stellen. Ist die Szene um den ersten Strom aus Windkraft nicht groartig? Was damals eigentümlich aussah, ist heute die selbstverständlichste Sache - wir gewinnen Strom aus Windkraft, ja und? Diese Zeit hatte viel Romantik, viele Fragen und Ideen - ich mchte keinen Augenblick missen.

Ludger Vollmer: Ich hatte keine Angst, da wir im Film vielleicht verarscht würden. Ich finde es im Gegenteil wunderbar, wenn wir verarscht werden. Es wäre ja grauenhaft, wenn man über jeder Ironie stehen würde. Die achtziger Jahre, das war eine spannende und wilde Zeit. Wir haben die Grünen gegründet, haben versucht, ernsthafte politische Anliegen auch mit alternativen Lebensstilen zu verbinden. Vieles ist uns gelungen, aber uns sind auch viele Irrtümer unterlaufen. Ich habe übrigens keinerlei Kommunen-Erfahrung, habe in ganz harmlosen Wohngemeinschaften gelebt. Als der GAU passierte, war ich gerade in Kuba und habe mit Fidel Castro über die Atomkraft diskutiert. Vor dem GAU hatten mir die Kubaner nicht zugehrt, am Tag danach schon. So viel ich wei, haben sie das AKW nie gebaut.

Angelika Beer: Als da gleich am Anfang des Films die Kommune nackt auf dem Bauernhof rum läuft, dachte ich erst: Oje, was für ein Klischeefilm! Ich hab das jedenfalls nie erlebt. Aber dann hat es mir immer mehr Freude gemacht. Ich habe über vieles herzlich gelacht, da etwa eine Sozialarbeiterin für eine WG im Widerstand abgestellt wird. Das sind irreale Szenen. Aber dennoch werden die Kernpunkte der damaligen Stimmung getroffen.

Was der Film nicht zeigen kann: Brokdorf war nicht nur eine ko-Graswurzelbewegung, sondern ein buntes Bündnis unterschiedlichster Initiativen, die sich aus Angst vor AKWs zusammengeschlossen haben. Für mich war Brokdorf die Politisierung überhaupt. Ich habe schon vorher politisch gearbeitet, aber die Atomfrage war existentiell: Das ist tdlich, warum machen die das trotzdem? Vor dem Tor in Brokdorf hab ich oft genug gesessen, die Hubschrauber kannte ich auch.

Aber das war schon ernster, als es im Film gezeigt wird. Wir waren auch eigentlich keine Bürger-Initiativen mehr, sondern hochgeschulte Experten, die über die Gefahren des Atomstroms genau Bescheid wuten, die Blockaden organisierten und Busse charterten. Am Ende hatten wir immer Schutzkleidung wegen der Wasserwerfer an und sogar Augenschutzbrillen gegen das Tränengas.

Der Tag des GAUs in ging mir durch Mark und Glieder. Meine erste berlegung war: Wo ist dein Sohn? Die zweite: Ab ins Haus. Dann das Gefühl, über die Gefahr genau Bescheid zu wissen, sie aber nicht fühlen zu knnen. Ich hatte gerade Salat gegessen, als die Meldung im Radio lief. Mir wurde speiübel. Ich habe dann Monate keinen mehr gegessen.

Ich will den Film jetzt noch mal mit meinem Sohn ansehen. Der ist heute 31, war damals also noch viel zu klein, um das alles zu verstehen. Aber mitgekriegt hat der das natürlich. Ich war ja dauernd unterwegs. Auch wenn ich ihn nie mitgenommen habe. Das war mir einfach zu gefährlich. Die Gefahr, da es eskalieren knnte, war ja stets da. Auch die Fronten waren härter, als es der Film zeigt. Ich hatte Hausdurchsuchungen, die haben meinen Kamin auseinandergenommen. Als ich Jahre später eine Zeitlang unter Personenschutz stand, traf ich auf Polizisten, die sagten, wir kennen uns doch irgendwoher. Und jetzt standen wir auf der gleichen Seite!

Claudia Roth: Ich habe den Film unter ziemlich extremen Rahmenbedingungen erlebt, auf dem Parteitag der Grünen in Schleswig-Holstein. Das gehrte quasi zum spätabendlichen Programm, nachdem wir uns einen langen Tag gestritten haben.

Ich erkannte da einiges wieder: gewisse Zwänge und Kämpfe, die geführt wurden. Ich erinnere mich auch noch gut an den Tag von Tschernobyl, da war ich Pressesprecherin und alle Kollegen waren gerade in der Provinz, wo Heide Simonis fters gekellnert hat. Die mute ich zusammentrommeln und dann waren wir zehn Tage ununterbrochen im Einsatz und versuchten, diese Desinformation, die im Film sehr gut wiedergegeben wird, zu konterkarieren.

Ich habe aber in einer anderen WG gelebt, die war mehr politisch. Da standen auch nicht so viele Flaschen rum, die waren ja Geld wert, da gab's schlielich Pfand drauf. Und ja, ich habe auch die "Imperialisten"-Serie "Dallas" geguckt. Auch "Denver", wobei "Dallas" immer besser war. Ich habe auch den Tag, als Bobby starb, durchaus in Erinnerung. Der tauchte ja dann irgendwann in der Dusche wieder auf.

Berliner Morgenpost

 

© 2004 - Angelika Beer, MdEP.
Dieser Text ist Teil des Internetauftritts von Angelika Beer, MdEP.
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