Direkt zur Navigation

Angelika Beer
MdEP

Sie sind hier: angelika-beer.de | Termine

zurück zu: Termine

Angelika Beer auf Regionalkonferenz "Demokratie denken"

Schwerin, 26.08.2006

Demokratie in Europa

Rede von Angelika Beer MdEP

anlässlich der Regionalkonferenz "Demokratie denken" am 26. August in Schwerin

Es gilt das gesprochene Wort

Liebe Freundinnen und Freude

Ich habe lange über das Motto Eures Zukunftskongresses "Demokratie denken" nachgedacht. Warum eigentlich denken? Demokratie heisst aus dem Griechischen übersetzt "Herrschaft des Volkes". Unser aller Handeln und Denken soll also demokratisch sein. Da fällt einem unweigerlich Willy Brandt mit seinem Slogan "Mehr Demokratie wagen" ein. Ihr habt mich gebeten über "Demokratie in Europa" zu sprechen.

Demokratie international neu erstreiten

Erlaubt mir als Auen- und Sicherheitspolitikerin den Bogen etwas weiter zu spannen, denn hier geht es um ganz Grundsätzliches. Angesichts des Krisenbogens von Afghanistan, über Irak, Iran und Israel-Libanon mchte ich unsere Aufgabe so beschreiben: Wir müssen nicht nur Demokratie denken - nein, wir müssen sie erstreiten, - und zurückerkämpfen. Das ist die Leitlinie nach inzwischen fünf Jahren Krieg gegen den internationalen Terrorismus, Abu Ghraib und Guantanamo.

Dem Missbrauch des Etiketts "Demokratie" müssen wir uns mit aller Kraft entgegenstellen. Wer vorgibt, den Nahen Osten demokratisieren zu wollen und unter diesem Motto versucht einen vlkerrechtswidrigen Krieg z.B. gegen den Irak zu legitimieren, darf dies nicht unwidersprochen tun.

Europa ist die Antwort auf die Weltmacht USA. Nicht einer entscheidet, sondern nur gemeinsam lassen sich die Probleme angehen. Unser Europa steht in der Verantwortung, politische Gesamtkonzepte gegen Rambo-Methoden durchzusetzen. Europa - wir - sind in der Verantwortung, doppelten Standards, egal ob in der Menschenrechtsfrage oder der nuklearen Aufrüstung, entgegenzutreten.

Die Herausforderungen in einer immer enger zusammenwachsenden Welt lassen sich nicht mehr in den Nationalstaaten bewältigen. Die heutigen Probleme - vom Klimaschutz über den Welthandel bis hin zu den Krisen und Konflikten in der Welt - machen nicht an nationalen Grenzen halt. Europa bietet den Hebel für eine soziale, kologische und friedliche Gestaltung der Globalisierung. Wir Grünen sagen deshalb Ja zu Europa.

Demokratie muss mit der Globalisierung mitwachsen

Aber wo bleibt dabei die Demokratie? Unsere Demokratie muss mit der Globalisierung mitwachsen! So wie die Demokratisierung der neugebildeten Nationalstaaten im 18./19. Jahrhundert müssen wir auch die EU auf neues demokratischeres Fundament stellen und wir wollen weitergehen.

Die Wiederbelebung des Verfassungsprozesses wird dabei von entscheidender Bedeutung sein. Nach dem Scheitern des Verfassungsvertrages gibt es kein Weiter so. Die Sorgen und ngste der Menschen müssen ernst genommen werden. Das erweiterte Europa braucht eine neue Grundlage, um wieder voll handlungsfähig zu werden. Dies kann aber nur gelingen, wenn sie von den Bürgerinnen und Bürgern Europas getragen wird. Deshalb fordern wir GRNEN nicht erst seit gestern eine europaweite Abstimmung über die Verfassung in ganz Europa. Wir werden weiter dafür kämpfen, dass diese Idee 2009 am Tag der Europawahl Wirklichkeit wird.

Wir wollen ein Europa in guter Verfassung!

Die Verfassungsfrage wird die Nagelprobe für die deutsche Rats-Präsidentschaft 2007 unter Angela Merkel. Die Denkpause ist in der Realitiät eine Pause vom Denken - hchste Zeit sie zu beenden.
Die Bundesregierung steht in der Verantwortung die Weichen für die Verfassung zu stellen. Dann wird sich zeigen ob ausgerechnet Gesundheits-Murks-Merkel die sozialen ngste und Sorgen der Menschen, wie sie sich in den Referenden in Frankreich und den Niederlanden manifestiert haben, aufgreifen wird oder sich weiter per Handkuss von Chirac einwickeln lässt. Wir Grünen werden auf jeden Fall für ein sozialeres, kologischeres und demokratischeres Europa kämpfen und der Bundesregierung auf dem Weg zur Präsidentschaft Beine machen. Wir wollen ein Europa in guter Verfassung!

Der gescheiterte Verfassungsvertrag ist ein Ungeheuer geworden, das kräftig zusammengestutzt werden muss. Eine Verfassung, die von ihren Bürgerinnen und Bürgern getragen wird, muss sich auf das Wesentliche konzentrieren: auf die Charta der Grundrechte, ihre Ziele und die demokratischen Institutionen. Der Rest kann weg! Befreit von dem ganzen Müll bietet auch der gescheiterte Verfassungsvertrag wichtige Elemente wie das Europäische Bürgerbegehren, mit dem wir Europäerinnen und Europäer endlich ein Initiativrecht erhalten. Das wäre ein wichtiger Meilenstein für eine demokratischere EU.

Parlamentarische Kontrolle ausbauen

Unser täglicher Kampf im Europaparlament ist der um eine massive Verstärkung der parlamentarischen Rechte und damit der Kontrolle.
Gerade in der Auen- und Sicherheitspolitik ist dies überfällig. Europa läuft sonst in Gefahr, durch nationalstaatliche Interessen instrumentalisiert zu werden - und dann so wie beim EU-Kongo-Einsatz Soldaten zu entsenden, ohne dass es ein politisches Konzept gibt.

Gerade bei dem Kongo Einsatz ist das Wort "Demokratie" immer wieder genannt worden. Wir wären verpflichtet, die ersten demokratischen Wahlen im Kongo militärisch abzusichern. Aber ich frage Euch, was ist demokratisch an der Wahl, wenn die grte Oppositionspartei gar nicht zur Wahl steht?

Der Kampf um Kontrolle des Europaparlamentes hat einen ersten Erfolg erlebt: Als Berichterstatterin des ab 2007 wirkenden Stabilitätsinstrumentes ist es mir gelungen durchzusetzen, dass dann erstmals alle zivilen Manahmen der EU-Auenpolitik unter das Mitentscheidungsverfahren des Parlamentes fallen.

Bürgernähe schaffen

Demokratie in Europa leidet aber auch am Mangel von Bürgernähe. Je weiter man entfernt ist, desto schwieriger ist es, diese Politik auch zu vermitteln. Das Europäische Parlament stellt sich und seinen Abgeordneten dabei auch noch selbst ein Bein. Ganze vier Wochen im Jahr sind so genannte Gelbe Wochen, in denen keine Sitzungen stattfinden. Diese Wochen, die eigentlich für die Wahlkreise gedacht sind, liegen dann aber auch noch meist in den Ferien oder werden durch Feiertage unterbrochen. Liebe Freundinnen und Freunde da sehne ich mich zurück in den Bundestag - dort gab es jeden Monat eine bzw. zwei Woche für den Wahlkreis.

Aber wer will, schafft es auch so vor Ort präsent zu sein - etwa in den Parlamentsferien wie heute.

Mehr Transparenz in Europa

Grundvoraussetzungen für Demokratie und Bürgerbeteiligung ist Transparenz. Transparenz zu erstreiten ist unsere Aufgabe, denn nur so wird die Zivilgesellschaft in den politischen Prozess einzubinden sein. Transparenz ist quasi die Eintrittskarte zur Demokratie.

Wer keinen Durchblick hat, kann auch keine verantwortlichen Entscheidungen treffen. Transparenz wird in Brüssel und Strassburg derzeit ganz gro geschrieben und die Transparenzinitiative der EU-Kommission ist auch zu begrüen, aber im politischen Alltag verfallen einige Kommissions-Beamten dann doch wieder in preuisches Obrigkeitshandeln zurück.

So hat die EU-Kommission in diesem Jahr dem Schleswig-Holsteinischen Landtag den Zugang zu einem Dokument zur Datenvorratsspeicherung verweigert. Die Kommission erwartet, dass der Landtag durch die schleswig-holsteinische Verfassung verbriefte Bürger- und Abgeordnetenrechte ändert, verweigert aber den Zugang zu den vom Landtag angeforderten Dokumenten. Hier wird nicht nur der Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit mit Füen getreten. Das Vorgehen der Kommission stellt den Transparenzgedanken auf den Kopf. Wir wollen keinen gläsernen Bürger, sondern eine transparente EU!

Ich habe hierzu eine parlamentarische Anfrage an die Kommission gestellt. Ohne Erfolg die Kommission verschanzt sich in ihrer Antwort weiter hinter Paragraphen. Die Frage, ob der unbeschränkte Zugang des Landtages zum genannten Dokument mgliche Zweifel an der Rechtsmäigkeit der Richtlinie nicht ausräumen knnte, blieb unbeantwortet. Die Kommission hat noch nicht verstanden, dass Transparenz auch die Voraussetzung für Akzeptanz ist.

Zivilgesellschaft einbinden

Demokratie ist mehr als die Europäische Verfassung. WTO, UNO, G8 etc. auch hier müssen wir zu demokratischeren Verfahren, wie etwa einer parlamentarischen Versammlung der UNO kommen. Wir müssen aber vor allen Dingen die Bürgerinnen und Bürger vor Ort und die Zivilgesellschaft einbinden.

Wir müssen auch die internationale Politik demokratisieren. Wenn im nächsten Jahr die Staats- und Regierungschefs der wichtigsten Industrieländer in Heiligendamm zu Gast sind, dann darf die ffentlichkeit nicht ausgeschlossen werden. Das ffentliche Interesse am G8-Gipfel und Themen wie Fairer Handel und Klimaschutz muss genutzt werden. Demokratie bedeutet auch Protest Demokratie lebt vom Streit um die besten Konzepte.

 

© 2004 - Angelika Beer, MdEP.
Dieser Text ist Teil des Internetauftritts von Angelika Beer, MdEP.
www.angelika-beer.de

 

TOP |


Zu diesem Artikel

17.09.2006: Mecklenburg-Vorpommern wählt
» www.gruene-werte.de