Direkt zur Navigation

Angelika Beer
MdEP

Sie sind hier: angelika-beer.de | Termine

zurück zu: Termine

„Historischer Neuanfang der Beziehungen von Europaparlament und Majlis“

Teheran, 14.-18.04.2005

Beginn eines schwierigen Dialogs

Erstmals seit Bestehen des Europa- parlaments wurde im Herbst 2004 eine Delegation des Europäischen Parlaments für die Beziehungen mit der Islamischen Republik eingerichtet. Das institutionelle Gegenüber der Iran-Delegation ist die das iranische Parlament, Madjlis. Darüber hinaus gehört zu den Aufgaben der Delegation auch die Kontaktpflege zu Regierungsvertretern, PolitikerInnen und vor allem der Austausch mit der iranischen Zivilgesellschaft.
Angelika Beer, Vorsitzende der EP-Delegation mit Iran war zusammen mit den stellvertretenden Vorsitzenden Romano La Russa (UEN, Italien) und Christa Prets (PSE, Österreich) vom 14. bis zum 18. April 2005 zu einer ersten Kontaktaufnahme in Teheran. Die wichtigsten Eindrücke schildert Angelika Beer wie folgt:

Der Besuch des Delegationspräsidiums bedeutet ein historisches Novum in der Beziehungen zwischen Europaparlament und Majlis. Die iranische Seite hat bei sehr geringer Vorbereitungszeit große Anstrengungen unternommen, der Delegation umfangreiche Treffen mit Parlamentariern und Regierungsvertretern zu ermöglichen. Bei der Organisation etlicher Termine mit Vertretern der Zivilgesellschaft hat uns die niederländische Botschaft unterstützt. Die Gespräche fanden in einer dialogbereiten Atmosphäre statt. Wir konnten ¬ñ ohne Tabu ¬ñ alle uns wichtigen Themen ansprechen ¬ñ wenn auch viele Fragen unbeantwortet blieben. Die von uns gewünschten Gespräche mit politischen Führern des Regierungslagers sowie der Opposition, kamen nicht zustande.
Der Versuch, inhaftiere Oppositionelle zu treffen, ist bei unserem ersten Besuch gescheitert. Es war uns wichtig, den seit 24 Jahren inhaftierten ehemaligen Ministerpräsidenten Amir Entezam zu treffen und vor allem einen direkten Kontakt zu dem Journalisten Akbar Ganji herzustellen. Akbar Ganji ist seit seiner Rückkehr von der im Jahr 2000 in Berlin veranstalteten Irankonferenz in Haft und befindet sich derzeit in einem Besorgnis erregenden Gesundheitszustand. Die wichtigsten Themen unseres Aufenthaltes finden Sie in der nachstehenden Übersicht:


Menschenrechte:

¬ï Am 15.04. erreichte uns vor Ort eine Eilmeldung von Amnesty International. Am nächsten Morgen sollten ein 17-Jähriger und sein Vater wegen schwerstkrimineller Delikte öffentlich ausgepeitscht und hingerichtet werden. Der Parlamentspräsident des Europaparlaments, Josep Borell, wurde auf unsere Bitte hin sofort aktiv und hat Protest gegenüber den iranischen Stellen gegen die Hinrichtung des Minderjährigen angemeldet. Die Hinrichtung des Minderjährigen wurde nicht vollstreckt. Aktuell versuchen wir, von den iranischen Behörden eine schriftliche Zusicherung zu erhalten, dass die Hinrichtung nicht nur verschoben sondern endgültig ausgesetzt wurde. Praxis im Iran ist, dass straffällig gewordene Minderjährige später mit Erreichen des 18. Lebensjahres exekutiert werden.
¬ï Steinigungen sind durch ein Moratorium der Regierung ausgesetzt. Dieses Moratorium wird, so weit wir wissen, überwiegend eingehalten. Wir haben deutlich gemacht, dass wir grundsätzlich gegen die Todesstrafe wie auch gegen die Steinigung sind. Gleichwohl erwarten wir, dass der Majlis dem Moratorium endlich zustimmt und ein entsprechendes Gesetz verabschiedet wird.
¬ï Das geringe Alter für die Strafmündigkeit von Jugendlichen verstößt nach wie vor gegen internationale Normen. Sie liegt für Mädchen bei 9 Jahren und für Jungen bei 15 Jahren. Ein unhaltbarer Zustand.

Demokratiedefizite:

¬ï Wahlen: Wie schon in der Vergangenheit kann man bei den bevorstehenden Wahlen zum Präsidenten des Landes nicht von demokratischen Wahlen sprechen Alle Wählerinnen und Wähler bekommen nach der Abgabe ihrer Stimme einen Stempel in ihren Pass, d.h. im Umkehrschluss, dass unter Umständen nach der Wahl jene, die keinen Stempel haben, Sanktionierungen unterschiedlicher Art befürchten müssen.
Die Auswahl der Kandidaten erfolgt durch den 12-köpfigen Wächterrat. Dessen Entscheidung hat schon bei vorangegangenen Wahlen dazu geführt, dass Reformer von der Wahl ausgeschlossen wurden. Politische Verfolgung, mangelnde Informations- und Versammlungsfreiheit (z.B. die Beschränkungen zur Gründung von Parteien und Vereinen) entfalten ihre Wirkung aber schon weit vor der eigentlichen Kandidatenaufstellung. Aufgrund dieser Situation wäre es unverantwortlich , eine EU¬ñWahlbeobachterdelegation zu entsenden. Abgesehen davon dass die iranische Regierung dazu erst einmal eine Einladung aussprechen müsste - was nicht zu erwarten ist - bestünde für Wahlbeobachter unter den jetzigen Bedingungen die Gefahr lediglich als Feigenblatt für am Wahltag formell korrekt verlaufende Pseudowahlen instrumentalisiert zu werden.
¬ï Pressefreiheit: Gerade in den letzten Monaten ist es vermehrt zur Inhaftierung von kritischen Journalisten und Webloggern gekommen. Wir haben zu konkreten Fällen keine Auskunft bekommen,. sondern nur das Angebot erhalten, diese Fälle schriftlich einzureichen. Eine Antwort wurde uns zugesagt.
¬ï Anwaltsfreiheit: Es sind verschiedene Gesetze in Vorbereitung, die dazu führen werden, dass Angeklagte oder Beschuldigte Anwälte nicht mehr nach freier Wahl aussuchen können und die Trennung zwischen Staatsanwaltschaft und Anwaltschaft aufgeweicht wird .
¬ï Politische Gefangene: Auch hier gibt es nur das Angebot einer schriftlichen Antwort. Fragen nach mehrmonatiger ja sogar mehrjähriger Inhaftierung von politischen Gefangenen wurden ignoriert.

Diese Bilanz zeigt die Notwendigkeit, dass der seit Juni 2004 ausgesetzte Menschenrechtsdialog zwischen Islamischer Republik Iran und der Europäischen Union dringend wieder aufgenommen werden muss. Trotz oder gerade wegen der prekären Menschenrechtslage halten wir es für sinnvoll, den Dialog zu vertiefen und Kritik direkt auszutauschen sowie in einen regelmäßigen Austausch mit den Nichtregierungsorganisationen einzutreten. Ein Abbruch der Beziehungen würde jene bestrafen, die sich für demokratische Reformen im Land einsetzen. Vor diesem Hintergrund ist nach unserer Reise folgendes zu unterstreichen:

Den Dialog vertiefen:

¬ï Vertreter des Parlaments als auch der Regierung haben signalisiert, dass sie nunmehr beabsichtigen, eine entsprechende Parlamentariergruppe auf Seiten des Majlis einzurichten. Wir halten dies für einen wichtigen Schritt und haben die zukünftige Delegation nach Brüssel eingeladen.
¬ï Es wurde bestätigt, dass der EU-Iran Menschenrechtsdialog, der seit Juni 2004 unterbrochen war, demnächst in Teheran wieder aufgenommen werden soll. Dies hat aus unserer Sicht entscheidende Bedeutung, und wir gehen davon aus, dass das Parlament in den Dialog zwischen Kommission und der iranischen Regierungsseite aktiv eingebunden wird.
¬ï Die aktuellen Verhandlungen zwischen den 3 EUs (Großbritannien, Frankreich, Deutschland) und dem Iran müssen aus unserer Sicht fortgesetzt werde, um das Ziel zu erreichen, dass der Iran auf eine militärische Nutzung seines Atomprogramms verzichtet. Unser Ziel ist eine friedliche Koexistenz im Nahen und Mittleren Osten. Es gilt, eine weitere Destabilisierung wie nach dem Präventivschlag der USA gegen den Irak zu verhindern.
• Dem Handels- und Kooperationsabkommen zwischen EU und Iran, das derzeit verhandelt wird, wird das Europaparlament nur zustimmen, wenn gleichzeitig eine faktische Verbesserung der Menschenrechtslage im Iran zu verzeichnen ist. Die Menschenrechte sind nicht verhandelbar.


Als erstes Zwischenergebnis bleibt festzuhalten: Wir erhoffen uns von dem Beginn des Dialogs, zwischen dem Europäischen Parlament, dem Majlis und der Zivilgesellschaft eine Basis zu finden, die zur Verbesserung der Demokratie, den Menschenrechten und dem Austausch über Kultur und Religion dient. Die katastrophalen Folgen des amerikanischen Präventivschlages gegen den Irak würden im Fall einer ähnlichen Aggression gegen Iran weitaus schwerwiegender sein.

 

© 2004 - Angelika Beer, MdEP.
Dieser Text ist Teil des Internetauftritts von Angelika Beer, MdEP.
www.angelika-beer.de

 

TOP |


Zu diesem Artikel

taz-Interview zur Iranreise: Deutliche Signale erkannt
» lesen