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Angelika Beer
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Europa in Merkels Händen

01.01.2007

von Angelika Beer MdEP

Deutschland hat am 1. Januar die EU-Ratspräsi- dentschaft übernommen. Die Heraus- forderungen für das vor uns liegende Halbjahr sind gewaltig: Sie reichen von der Energiefrage, einer gemeinsamen Migrations- und Flüchtlingspolitik über die gesamte Auen- und Sicherheitspolitik bis hin zur Erweiterungspolitik. Der Schlüssel, um in all diesen drängenden Bereichen wieder vollständig handlungsfähig zu werden, ist der Verfassungsprozess. Die Bundesregierung steht nun in der Verantwortung die drängenden Aufgaben anzugehen und gleichzeitig den Verfassungsprozess wieder in Gang zu bringen.

Die Erwartungen an die Bundesregierung sind gro. Wer, wenn nicht Deutschland als grter EU-Mitgliedsstaat, der in diesem Jahr auch noch die G8-Präsidentschaft innehat, soll den Weg aus der aktuellen Krise aufzeigen knnen so ist zumindest die Erwartungshaltung in der restlichen EU. Doch das Zeitfenster, in dem grundlegende Reformen durchgesetzt werden knnen, ist kurz. Schaut man allein auf die Europawahlen 2009, so schliet sich dieses Zeitfenster wieder mit der franzsischen Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2008.

Will Deutschland diese Chance nutzen, muss die Bundesregierung mit Mut vorangehen. Dies kann gelingen, wenn sie sich vom Blockierer zum Reformer wandelt.

Erweiterungspolitik: Balkan darf nicht die Kosten tragen

Die Kosten für die bisher gescheiterten inneren Reformen drohen an den Staaten des Westbalkan und an der Türkei hängen zu bleiben. Die deutsche Präsidentschaft will den Erweiterungsprozess "unter Berücksichtigung der Aufnahmefähigkeit der EU" fortsetzen. Was das bedeutet, konnten wir in den vergangenen Monaten - zuletzt in der Debatte um den Brok-Bericht im EP - erleben: Die Grosse Koalition in Brüssel bereitet den Weg für einen "Dritten Weg" bzw. eine "Neue Nachbarschaftspolitik" vor. Mit irreführenden Begriffen wie Absorptions- oder Integrationsfähigkeit der EU setzen Sozialdemokraten und Konservative seit Monaten die Botschaft: Das Boot ist voll. An die Stelle der zugesagten EU-Perspektiven für den Westbalkan und die Türkei soll nun ein neuer Status treten.

Dieser Kurs der Bundesregierung unterminiert nicht nur die Glaubwürdigkeit der EU, sondern gibt auch das unumstritten wichtigste Instrument der Konfliktprävention, das die EU besitzt, aus der Hand.

Friedensmacht Europa

Die EU ist längst ein globaler Akteur, aber ihr fehlen die notwendigen institutionellen Voraussetzungen als auch die konkreten Fähigkeiten, um entsprechend effektiv handeln zu knnen. Dazu gehrt insbesondere ein übergreifender Aktionsplan zur zivilen Konfliktprävention, der auf dem Stabilitätsinstrument, einem Europäischen Zivilen Friedenskorps, Europe Aid und einer Peace Building Partnership aufbaut.

Aktuelle Diskussionen über eine Europäische Armee und eine Verteidigungsunion dürfen nicht von den jetzt umzusetzenden Hausaufgaben ablenken. Bevor neue Projekte wie eine Verteidigungsunion umgesetzt werden knnen, steht die EU in der Pflicht zunächst einmal die seit 1999 vereinbarte Harmonisierung europäischer ziviler und militärischer Fähigkeiten zu meistern.

Angesichts des wachsenden weltweiten Konfliktpotentials steht auch die Abrüstungspolitik wieder auf der internationalen Agenda. Wir fordern von der Bundesregierung, neben den Fragen der Nichtverbreitung und der Reform der IAEO entschieden für internationale Verbote von weiem Phosphor, Streubomben und Antifahrzeugminen einzutreten.

Die Gesamtlage im Nahen und Mittleren Osten wird die EU-Präsidentschaft mehr fordern als ihr lieb sein kann. Eine neue Friedensinitiative ist für die Gesamtregion dringender denn je.

Energiepolitik ist Friedenspolitik

Energiepolitik ist Friedenspolitik. Der Kampf um endliche Ressourcen ist eine der Hauptursachen für Kriege und Konflikte weltweit. Der Klimawandel und seine Konsequenzen wird diese Entwicklung noch verschärfen.

Für Europa sind die Abhängigkeit von auereuropäischen Energielieferanten als auch die verletzlichen Versorgungsinfrastrukturen ein ernstzunehmendes Problem. Die Unterzeichnung der Energiecharta mit Russland, ohne die Menschenrechtsverletzungen unter der Regierung Putin zu tabuisieren, ist eine der zentralen Herausforderungen für den deutschen EU-Vorsitz.

Eine militärische Absicherung von Versorgungsinfrastrukturen wie sie innereuropäisch vorangetrieben wird und auch in der NATO diskutiert wird, lehnen wir ab.

Die Risikotechnologie Atomenergie bietet keine Lsung. Der Atomstreit mit dem Iran zeigt, dass die Unterscheidung in zivile und militärische Nutzung nicht funktionieren kann. Sowohl der Atomwaffensperrvertrag als auch die IAEA bedürfen daher im 50. Jahr ihres Bestehens einer grundlegenden Reform.

Wir kämpfen entschieden gegen eine Renaissance der Atomkraft. Der einzig vernünftige Weg kann nur eine radikale Energiewende sein. Nur die erneuerbaren Energien bieten eine effektive Antwort auf Klimawandel, risikoreiche Technologien und gefährdete Infrastrukturen.

Migrations- und Flüchtlingspolitik

Auf grausame Art und Weise zeigt sich das bisherige Scheitern der EU in der Migrations- und Flüchtlingspolitik im Mittelmeer. Innenpolitischer Populismus gepaart mit dem Vetorecht der Mitgliedstaaten blockiert die Entwicklung einer humanitären europäischen Migrationspolitik. Der Prozess gegen Elias Bierdel & Co. (Fall Cap Anamur), der derzeit in Italien läuft, verdeutlicht, wie pervers die europäische Abschottungspolitik ist. Die Botschaft an alle Seeleute ist klar: Wer hilft, kriegt rger.

Die Europäische Union braucht dringend ein kohärentes asyl- und einwanderungspolitisches Konzept, das legale Einwanderung in weit grerem Mae als bisher ermglicht und aktiv die Fluchtursachen bekämpft. Die Bundesregierung steht hier als G8- und in EU-Präsidentschaft in doppelter Verantwortung.

Wer nun groe Erwartungen in die Bundesregierung setzt, dass sie die Blockade einer gemeinsamen Migrations- und Flüchtlingspolitik im Rat endlich knackt, macht den Bock zum Gärtner. Die Bundesregierung will sogar die Grenzschutzagentur FRONTEX weiter ausbauen und mit exekutiven Befugnissen ausstatten.

Verfassung: Nicht kleckern, sondern klotzen!

All diese Herausforderungen für sich genommen sind Mamutaufgaben. Europa kann es sich nicht leisten, die Verfassungsdiskussion weiter auf die lange Bank zu schieben. Eine Europäische Union von 27 Ländern, die in den wichtigsten Politikfeldern noch immer auf Einstimmigkeit angewiesen ist, ist zum Scheitern verurteilt.

Ein Verfassungsvertrag, der von den Bürgerinnen und Bürgern getragen werden soll, darf nicht nur postuliert werden, sondern muss diesem Ziel sowohl im Text als auch im Verfahren Rechnung tragen: Wir fordern deshalb, dass der Verfassungsvertrag auf eine für eine Verfassung relevanten Teile gekürzt wird: das Zusammenspiel der Institutionen in Teil I und die Grundrechtscharta Teil II. Am Ende des Verfassungsprozesses wollen wir ein europaweites Referendum gleichzeitig mit der Europawahl 2009.

Für das kommende halbe Jahr heit es für uns alle: Nicht kleckern, sondern klotzen!

 

Dieser Artikel erscheint in Kürze in den GAL-Mitte-News

 

© 2004 - Angelika Beer, MdEP.
Dieser Text ist Teil des Internetauftritts von Angelika Beer, MdEP.
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